25. Oktober 2014

Das Rachespiel - Arno Strobel

Produktinfos:

Ausgabe: 2014
Seiten: 384
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Der Autor:

Arno Strobel, Jahrgang 1962, studierte zunächst Informationstechnologie und arbeitete im IT-Bereich, ehe er mit dem Schreiben begann. 2010 gelang ihm mit "Der Trakt" der Durchbruch als Thrillerautor. Weitere Werke sind u. a. "Das Wesen", "Das Skript" und "Der Sarg". Mehr über ihn auf seiner Homepage www.arno-strobel.com

Inhalt:


Frank Geissler führt zusammen mit seiner Frau Beate und seiner fünfzehnjährigen Tochter Laura ein zufriedenes, unspektakuläres Leben. Das ändert sich urplötzlich, als eines Morgens ein USB-Stick in seiner Post auftaucht. Der Inhalt des Sticks verweist ihn auf die Website www.das-spiel.to. Dort sieht Frank einen nackten, festgeketteten Mann neben einem Käfig voller ausgehungerter Ratten. Dazu die Anweisung, dass Frank eine bestimmte Mutprobe bewältigen soll, um das Leben des Mannes zu retten.

Frank hält die Botschaft für einen schlechten Scherz und ignoriert sie. Doch am nächsten Tag erhält er erneut einen Stick, diesmal mit einem Video, das den qualvollen Tod des Mannes zeigt. Tatsächlich wird auch die Leiche des Unbekannten aufgefunden und Frank weiß nun - dies alles ist kein Scherz.

Der Täter führt Frank und drei ehemalige Freunde von ihm zusammen, die alle die gleichen Botschaften und Videos erhielten. Sie werden zu einem ehemaligen Atomschutzbunker in der Eifel bestellt und erhalten dort weitere Anweisungen. Die vier einstigen Cliquenmitglieder Frank, Jens, Torsten und Manuela sind "Spielfiguren", eingesperrt im Bunker. In dieser Nacht bekommen sie vier Aufgaben gestellt, für jede gelöste Aufgabe gibt es einen Punkt - und nur, wer am Morgen zwei Punkte hat, rettet damit sein eigenes Leben und das seiner Familie ...

Bewertung:

Erst mit über vierzig Jahren hat Arno Strobel das Schreiben begonnen, doch sein Output kann sich sehen lassen: Nach "Der Trakt", "Das Wesen", "Das Skript" und "Der Sarg" ist "Das Rachespiel" der fünfte Psychothriller für Erwachsene, der sich nicht nur, was den Titel angeht, nahtlos einreiht.

Protagonist Frank ist ein auf den ersten Blick sympathischer, wenngleich nicht besonders origineller Charakter, eine Art Durchschnittstyp, dem an sich gerade deswegen schnell verbunden fühlt. Sein behütetes Leben gerät von heute auf morgen aus den Fugen und konfrontiert ihn mit zweierlei Dingen - mit einem perfiden Mörder, der ein Katz-und-Maus-Spiel mit ihm treibt sowie mit seiner verdrängten Vergangenheit. Schon früh erhält der Leser Andeutungen, dass Frank einen dunklen Punkt in seiner Jugend besitzt. Vor fast dreißig Jahren war Frank der Anführer einer Clique. Da waren der zurückhaltende rothaarige Jens, der wegen seiner Haarfarbe nur "Kupfer" genannt wurde, die burschikose Manuela, das leicht reizbare Schwergewicht Torsten, genannt "Fozzie", und er selbst, der lässige Wortführer "Fränkie". Diese Konstellation - eine zusammengewürfelt wirkende Clique, die Jahrzehnte später wieder zusammengebracht wird und sich einem dunklen Geheimnis widmen muss - erinnert an Stephen Kings modernen Horror-Klassiker "Es" und ähnliche Werke.

"Das Rachespiel" dreht sich allerdings nicht um die Bekämpfung eines Monsters. Stattdessen scheint alles von einem gewissen Festus auszugehen. Festus war seinerzeit ein gleichaltriger Junge, der geistig allerdings auf dem Stand eines Vierjährigen war. Der kindlich-anhängliche Festus wollte unbedingt Mitglied der Bande werden, was den vier Freunden wiederum gar nicht recht war - eine waghalsige Mutprobe als angebliche Aufnahmeprüfung sollte Festus abschrecken, führte jedoch stattdessen zu einer Katastrophe. Nun will sich Festus offenbar dafür rächen - der Haken liegt darin, dass Festus eigentlich gar nicht mehr leben dürfte. Dies wiederum erinnert dezent an Filme wie "Ich weiß, was du letzten Sommer getan" hast und auch der gerissene Serienmörder, ein durchtriebenes Spiel inszeniert, ist ein altbekanntes Thrillermotiv. Dennoch tut es keinen Abbruch, dass die einzelnen Bestandteile des Romans dem Leser bekannt vorkommen. Arno Strobel setzt diese Topoi souverän ein und präsentiert eine spannende Handlung, die frei von Längen ist. Der Leser ist sofort drin im Geschehen und verfolgt gebannt die immer dramatischeren Entwicklungen. Zwischendrin gibt es immer wieder kurze Rückblicke in die Vergangenheit, in denen sich Stück für Stück die Geschichte mit Festus enthüllt.

Ein absoluter Gewinn für das Lesevergnügen ist das Setting. Der Großteil der Handlung spielt in dem abgelegenen Bunker, der obendrein die meiste Zeit über finster ist. Erzählzeit und erzählte Zeit liegen dicht beisammen, sodass der Leser geneigt ist, das Buch in einer Nacht zu verschlingen. Für unheimliche Momente ist reichlich gesorgt dank der kalten Computerstimme, die die Anweisungen erteilt und den unzähligen dunklen Gänge und Zimmer in dem Bunker.

Reizvoll sind die schwelenden Konflikte zwischen den ehemaligen Freunden. Torsten alias "Fozzie" hat sich zu einem muskulösen Schrank entwickelt, der zu Gewalt neigt und wenig Kooperationsbereitschaft zeigt. Aus der burschikosen Manuela ist eine attraktive Frau geworden, die sich bisweilen überängstlich verhält, dann aber wieder kühle Entschlossenheit demonstriert. Der schüchterne Jens alias "Kupfer" ist der Opportunist, der sich mal vom aggressiven Torsten fern hält und sich mal mit ihm zu verbünden versucht. Keiner der vier wird als Held dargestellt, selbst der eigentliche Sympathieträger Frank zeigt Schwächen und ist zu fast allem bereit, um seine Familie zu retten. Alte Feindseligkeiten brechen immer wieder auf und jedem der vier Mitspieler ist klar, dass jeder von ihnen in erster Linie an sein eigenes Wohl und an das seiner Familie denkt - zu fürchten ist daher nicht nur der mysteriöse Mörder, sondern sie alle sind letztlich Rivalen und schwanken zwischen Konkurrenzkampf und Hilfsbereitschaft um der alten Freundschaft willen.

Ein paar Kleinigkeiten gibt es trotz des überzeugenden Gesamteindrucks zu kritisieren. Zum einen verläuft das Ende leicht konstruiert; der Täter verhält sich an einer Stelle viel zu unvorsichtig und ermöglicht so einen bestimmten Handlungsverlauf; diese Art von Lösung wirkt sehr einfallslos. Zum anderen ist nicht ganz überraschend, wer hinter den Taten steckt. Falsche Fährten gibt es zwar, doch weit vor der eigentlichen Enthüllung kann der Leser anhand mehrerer Indizien erschließen, wer für die Inszenierung verantwortlich ist; vor allem eine falsche Fährte ist zu offensichtlich gelegt. Zudem gibt es einen kleinen Widerspruch: Ursprünglich sagt der Täter den Spielern, dass ein gewonnener Punkt ihr eigenes Leben rettet, der zweite Punkt das Leben ihrer Familie. Im weiteren Verlauf der Handlung ist seitens der Figuren aber immer wieder die Rede davon, dass der erste Punkt das Leben der Angehörigen rettet und der zweite das eigene.

Fazit:


Ein sehr spannender und leicht zu lesender Psychothriller, der insgesamt eine unterhaltsame Lektüre garantiert.

15. Oktober 2014

Das finstere Tal - Thomas Willmann

Produktinfos:

Ausgabe: 2011
Seiten: 320
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Der Autor:

Thomas Willmann, Jahrgang 1968, studierte zunächst Musikwissenschaften und arbeitete im journalistischen Bereich, lehrte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und war als Übersetzer tätig, ehe er 2010 mit "Das finstere Tal" seinen ersten Roman vorlegte. 2014 kam eine gleichnamige Verfilmung in die Kinos.

Inhalt:

Ein abgelegenes Dorf in den Alpen, Ende des 19. Jahrhunderts: Ein paar Dutzend Seelen leben hier in bescheidenen Verhältnissen und pflegen kaum Kontakt mit der Außenwelt. Eines Tages kommt ein junger Fremder ins Dorf. Greider stellt sich als Maler vor und erklärt, dass er eine Bleibe über den Winter sucht.

Erst reagieren die Männer des Dorfes abweisend, doch schließlich kann Greiders Geld sie überzeugen. Er bekommt ein Zimmer bei der Witwe Gader, die allein mit ihrer Tochter Luzi lebt und eine Hilfe im Winter gebrauchen kann. Während die Witwe und ihre Tochter den Fremden freundlich aufnehmen, bleiben die übrigen Dorfbewohner reserviert. Dennoch gewöhnen sie sich allmählich an den Maler und es kehrt wieder Ruhe ein.

Das ändert sich mit einem Schlag, als es einen unvorhergesehen Todesfall gibt. Bei der Holzarbeit im Wald verunglückt ein junger Mann, der jüngste Sohn vom Brenner, dem sowohl respektierten als auch gefürchteten Großbauern. Kurz darauf stirbt ein weiterer Brenner-Sohn - augenscheinlich wieder ein Unfall. Und es bleibt nicht bei diesen zwei Todesfällen ...

Western meets Heimatroman

Wenn Thomas Willmann in seinem Nachwort Ludwig Ganghofer und Sergio Leone als die beiden Größen nennt, die ihn maßgeblich sei seinem Werk beeinflusst haben, dann trifft er mit dieser Kombination exakt den Kern des Romans. "Das finstere Tal" ist eine düstere, dramatische und melancholische Rache- und Sühnegeschichte vor der malerischen Kulisse eines Heimatromans.

Es ist ein Beginn wie aus einem Italowestern: Ein Fremder reitet auf seinem Maultier in ein abgelegenes Dorf und wird prompt mit Misstrauen und Ablehnung konfrontiert. Dessen ungeachtet richtet er sich dort häuslich ein und der Leser ahnt weit früher als die Einwohner, dass der Fremde eine alte Rechnung zu begleichen hat. Welcher Art diese Rechnung ist, was Greider überhaupt mit dem Dorf verbindet, lässt sich dagegen nur ganz allmählich erschließen. Die Handlung greift dabei zusätzlich zum Hauptstrang auf zwei Stränge in der Vergangenheit zurück: Rückblenden führen einmal immer wieder zurück zu Greider als Jungen mit seiner Mutter auf einer ihn prägenden Reise und einmal in eine Zeit, die noch einige Jahre weiter zurück liegt. Auf eine sehr geschickte Weise offenbart sich dem Leser somit nach und nach ein immer vollständigeres Puzzle. Andeutungen und Ahnungen fügen sich logisch ineinander, vor allem Szenen aus der Vergangenheit ergeben plötzlich einen zuvor nicht bekannten Sinn.

Hervorzuheben sind vor allem die dichte Atmosphäre und das Vermischen von Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Die Dorfbewohner erscheinen auf den ersten Blick als verschworene Gemeinschaft, bis sich unter der Oberfläche kleine Risse und Sprünge zeigen und sich die komplexen Beziehungsgeflechte verdeutlichen. Komplexität findet sich auch in Greiders Charakter. Grundsätzlich erscheint er als sympathische Figur, doch ist er anfangs zu undurchschaubar, um sich als Rezipient vollends auf seine Seite zu stellen. Nur allmählich formt sich aus diesem mysteriösen Fremden ein Bild zusammen, das der Leser einzuschätzen vermag - und auch dann gibt es Momente, in denen sowohl der Leser als auch Greider selbst vor seinen Taten zurückschrecken.

Auch rechtes und unrechtes Handeln verschwimmen ineinander - Traditionswille und der Wunsch nach Veränderung stehen sich konträr gegenüber und der Roman vermeidet es angenehmerweise, den moralischen Zeigefinger hochzuhalten. Zweifellos handelt es sich um ein düsteres Werk, dessen idyllische Szenerie einen reizvollen Gegensatz zu den emotionalen Tiefen der Figuren bildet. Vor allem einer der Handlungsstränge aus der Vergangenheit besticht durch seinen ausgesprochen intensiven und bewegenden Charakter und schafft beim Leser Bilder vor dem geistigen Auge, die er lange nicht vergisst.

Anzukreiden ist dem Roman so gut wie nichts. Freilich sind die Ausflüge in die Dialektsprache in den Dialogen gewöhnungsbedürftig für die Leser, die sonst nur Hochdeutsch konsumieren oder unerfahren mit Dialekten aus der Alpenregion sind - allerdings gibt es grundsätzlich nur wenig direkte Rede im Roman, sodass dies nicht stark ins Gewicht fällt. Generell ist "Das finstere Tal" ein sehr gemächlich anlaufendes Werk, das sich seine Zeit nimmt, um das Setting und die Atmosphäre im Dorf ausgiebig zu entwerfen. Gegen Ende gibt es zwar durchaus dramatische Entwicklungen und einen westernartigen Showdown, aber bis dahin wird Geduld vom Leser gefordert.

Fazit:

Hervorragender Debütroman, der äußerst gelungen die Genres Western und Heimatroman miteinander kombiniert und mit einem Hauch von Thrilleratmosphäre garniert. Eine eindrückliche Atmosphäre, interessante Figurenzeichnung und eine in einem grandiosen Finale mündende Handlung sorgen für ausgesprochenes Lesevergnügen - sofern man sich von der Dialektsprache in der (spärlichen) wörtlichen Rede und dem gemächlichen Einstieg nicht abschrecken lässt.

7. Oktober 2014

Die Katze und der Kanarienvogel - John Willard

Produktinfos:

Ausgabe: 2014
Dauer: 127 Minuten
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Der Autor:

John Willard, 1885-1942, war ein amerikanischer Dramatiker. "Die Katze und der Kanarienvogel" aus dem Jahr 1922 ist sein populärstes Werk, das auch mehrfach verfilmt wurde.

Inhalt:


Das einsam gelegene Glencliff Manor am Hudson River im Jahr 1921: Wie von ihm gewünscht, wird genau zwanzig Jahre nach dem Tod des reichen Exzentrikers Cyrus West sein Testament verlesen. Außer dem Notar Mr. Crosby und der Haushälterin Mammy Pleasant finden sich sechs potenzielle Erben ein: Der arrogante Harry Blythe, die junge, kindliche Cicily Young, deren überhebliche ältere Tante Susan Sillsby, Harrys einstiger Rivale Charlie Wilder, der eher ängstliche und ungeschickte Paul Jones und die junge und attraktive Illustratorin Annabelle West.

Gerade als die Testamentsverlesung beginnen soll, erklingt ein unheimlicher Gong, und die spirituelle Mammy spricht angeblich mit einem Geist namens Eliza. Demnach soll einer der Anwesenden in dieser Nacht sterben. Auch das Testament hält Überraschungen bereit: Als einzige Erben werden diejenigen unter den Nachfahren bestimmt, die den Nachnamen "West" tragen. Da dies nur auf Annabelle zutrifft, ist sie somit die Alleinerbin.

Allerdings gibt es noch eine Zusatzklausel: Annabelle muss die Nacht in der Bibliothek verbringen. Sollte sie in dieser Nacht sterben oder den Verstand verlieren, geht das Vermögen an einen anderen Erben, der in einem weiteren Umschlag vermerkt ist - dieser Umschlag darf aber erst in diesem Fall geöffnet werden, sodass niemand wissen dürfte, wer der Nutznießer sein würde. Zusätzlich zu diesen ungewöhnlichen Bedingungen sorgen die Konflikte unter den drei Männern für Spannungen, da alle drei in Annabelle verliebt sind. Schließlich erfahren die Anwesenden auch noch, dass ein Verrückter aus der nah gelegenen Irrenanstalt entlaufen ist ...

Bewertung:


Eine Doppelfolge widmet Titania Medien John Willards Theaterstück, das sich viele Jahrzehnte nach seiner Uraufführung immer noch großer Beliebtheit erfreut. Die Grundidee der Handlung ist freilich nicht neu: Ein abgelegenes Herrenhaus mit Geheimgängen, ein seltsames Testament, eine gruselige Nacht, die es zu überstehen gilt, eine Reihe entfernter Verwandter, die einander teilweise zu Recht misstrauen - dies alles sind typische Motive für den Landhauskrimi, in dem sich das Geschehen auf engem Raum abspielt.

Da sich das Setting ausschließlich auf das Anwesen beschränkt, liegt der Fokus naturgemäß auf den Charakteren, die sich in Sympathen und Unsympathen aufteilen. Die designierte Erbin Annabelle West erscheint als charmante junge Dame, freudig-überrascht über das Erbe, ohne gönnerhaft zu wirken. Sie ist recht gewitzt und schlagfertig und unterm Strich zweifellos eine liebenswerte Figur, mit der der Hörer mitfiebert. Zu den positiv besetzten Charakteren zählt auch die harmlos-naive Cicily, der schon bald unheimlich zumute ist und die mit ängstlicher Zurückhaltung die Dinge beobachtet. Liebenswert-trottelig ist Paul Jones, der zu Gedankensprüngen und umständlichen Formulierungen neigt, die für den humorvollen Part des Hörspiels verantwortlich sind.

Dem gegenüber stehen die halbseidenen Rivalen Harry und Charlie, die sich gegenseitig belauern und zudem beide um Annabelles Gunst werben, mit der sie einst jeweils ein Techtelmechtel verband. Zu den unangenehmen, aber auch unfreiwillig komischen Gestalten gehört Susan Sillsby, die mit Cicily angereist ist. Mit aller Macht versucht die unverheiratete Susan vor ihren Verwandten den Status einer Grande Dame zu verkörpern, den sie offensichtlich nicht besitzt. Sie reagiert unverhohlen pikiert auf das Testament und ist im weiteren Handlungsverlauf immer wieder auffallend besorgt um Annabelles geistige Gesundheit, offensichtlich in der Hoffnung, dass die Erbin den Verstand verliert. Schließlich ist da noch die undurchschaubare Haushälterin Mammy Pleasant, die die letzten zwanzig Jahre unerschütterlich allein in Glencliff Manor verbracht hat und die vorgeblich mit der Geisterwelt in Kontakt steht.

Das abgelegene, düstere Anwesen ist natürlich prädestiniert für eine unheimliche Atmosphäre, die sich auch alsbald einstellt. Die Handlung verbreitet eine wohlige Gruselstimmung und ist trotz der ausgedehnten Länge spannend gestaltet: Das Geschehen dreht sich hauptsächlich um die Fragen, ob es tatsächlich einen Toten in jener Nacht geben wird und wer dies sein mag, ob Annabelle die Nacht heil übersteht und das Erbe antreten kann, ob wirklich Geister mit von der Partie sind und wer von den Anwesenden womöglich ein falsches Spiel treibt. Das Sahnehäubchen bildet die Nachricht über den entflohenen Geisteskranken, der katzenhaft in Gebäude einzudringen vermag. Ob er in persona auftaucht, darf abgewartet werden; zumindest bewirkt allein schon die Vorstellung eines umherstreifenden Psychopathen ein solides Schaudern.

Das Hörspiel setzt weniger auf Action denn auf subtilen Grusel. Im Vergleich zur Vorlage wurde die Handlung zwar gekürzt, doch an manchen Stellen ist sie dennoch verhältnismäßig ausführlich geraten. Die Charaktere trudeln nach und nach ein, und jedem ist ein gewisser Raum gewidmet, um seine Eigenschaften zu verdeutlichen. Das ist einerseits hilfreich, um den Überblick zu behalten - andererseits zieht sich diese Einführung recht lange hin. Überhaupt gibt es immer wieder Szenen, in denen das Geplänkel etwas zu ausladend gerät. Langweilig wird es gewiss nie, doch es braucht geduldige Hörer, um dem Werk ohne Unterbrechung zu folgen.

Die Sprecher fallen ausnahmslos positiv auf, auch diverse Hochkaräter des Metiers sind vertreten. Einen kurzen, aber sehr markanten Auftritt hat Jürgen Thormann, dessen Stimme man als deutsche Version von Michael Caine kennt. Mit Dagmar von Kurmin als Mammy Pleasant ist ein Urgestein des Hörspiels mit von der Partie, und wie erwartet verleiht sie der mysteriösen Haushälterin viel Charisma. Eine sehr bekannte Stimme besitzt auch Joseline Gassen, die hier wunderbar herablassend und divenhaft Susan Sillsby spricht - sie synchronisierte beispielsweise schon häufig Bette Midler und Ellen Barkin. Nana Spier gibt wiederum überzeugend die liebenswerte Annabelle West, ihre Stimme ist vertraut durch die Synchronisation von Sarah Michelle Gellar und Claire Danes.

Fazit:

Souveränes Hörspiel mit subtilem Grusel, das vor allem durch sehr gute Sprecher, eine dichte Atmosphäre und interessante Charaktere überzeugt. Der im Vergleich zu den Standardfolgen doppelte Umfang erfordert etwas Konzentration und Geduld, manche Szenen sind etwas ausufernd gestaltet.

Sprechernamen:


Annabelle West - Nana Spier
Mammy Pleasant - Dagmar von Kurmin
Roger Crosby - Eckart Dux
Harry Blythe - Sascha Wussow
Cicily Young - Julie Stoepel
Susan Sillsby - Joseline Gassen
Charlie Wilder - Patrick Bach
Paul Jones - Claus Thull-Emden
Hendricks - Axel Lutter
Dr. Patterson - Jürgen Thormann