8. Juni 2014

Undine - Friedrich de la Motte Fouqué

Produktinfos:

Ausgabe: 2012
Seiten: 128
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Der Autor:

Friedrich Baron de la Motte Fouqué wurde 1777 geboren und starb 1843. Er entstammte einer altadligen französischen Hugenottenfamilie und gehörte während der Romantik zeitweise zu den populärsten Autoren. Weitere Werke sind u.a. Der Zauberring, Eine Geschichte vom Galgenmännlein und Der Held des Nordens.

Inhalt:

Ritter Huldbrand von Ringstetten wird auf seinem Ritt durch einen Wald von einem Unwetter auf eine Landzunge abgedrängt, wo ein altes Fischerehepaar lebt. Das Ehepaar hat eine etwa achtzehnjährige Tochter namens Undine, die sie vor vielen Jahren als Findelkind aufnahmen. Huldbrand ist sofort von dem hübschen, kecken Mädchen fasziniert und auch Undine zeigt schnell Gefallen an dem Ritter. Bald kommt es auf der Insel zur Heirat.

Am Morgen nach der Hochzeitsnacht vertraut Undine ihrem Ehemann das Geheimnis ihrer Herkunft an: Sie ist ein Elementargeist, Tochter eines mächtigen Wasserfürsten. Undine besitzt Macht über die Naturgewalten, hat wie alle Elementargeister aber keine Seele - doch durch die Heirat mit einem Menschen können sie diese erlangen. Undine wurde zu diesem Zweck von ihrem Vater in die Menschenwelt empor gesandt und ist froh, durch Huldbrand nun tatsächlich eine Seele erhalten zu haben.

Huldbrand ist zunächst trotz dieses überraschenden Bekenntnisses glücklich mit Undine. Die junge Frau hat jedoch mit ihrem Seelenerhalt über Nacht auch merklich ihren Charakter verändert - sie ist kein übermütiges Naturkind mehr, sondern ein sittsames und engelgleiches Hausmütterchen geworden. Nach und nach fühlt sich Huldbrand immer stärker zu seiner einstigen Verlobten Bertalda hingezogen, während er sich von seiner Ehefrau entfremdet. Das Dreiecksverhältnis, das Undines Oheim, der Elementargeist Kühleborn, argwöhnisch überwacht, spitzt sich immer weiter zu ...

Wenn gleich sich nicht zu gleich gesellt ...

Friedrich Baron de la Motte Fouqué hat uns ein ausgesprochen umfangreiches Schaffen hinterlassen, vorwiegend bestehend aus Ritterromanen, Gruselerzählungen und Sagen. Indessen ist der Autor, der seinerzeit zu den berühmtesten romantischen Dichtern zählte, heute weitgehend in Vergessenheit geraten - seine Märchenerzählung "Undine" (1811) allerdings ist ungebrochen populär. Der hübsche Elementargeist aus dem Wasser hat E.T.A. Hoffmann bereits kurz nach Erscheinen zur ersten romantischen Oper inspiriert, Edgar Allan Poe hat von ihr geschwärmt und ein gewisser Hans Christian Andersen verfasste in Anlehnung an Undines Geschichte sein Märchen um die kleine Seejungfrau.

Fouqués Märchen erzählt eine rührende, sentimentale Geschichte von einer Liebe zwischen verschiedenen Welten. Ganz im Sinne der Romantik wird hier eine harmonische Einheit zwischen Natur und Mensch angestrebt, doch der Mensch, vor allem Huldbrand, ist mit den Eigenheiten der Natur überfordert. Es ist freilich nicht die erste Erzählung dieser Art; vor allem die mittelalterliche Versnovelle "Peter von Staufenberg" und Thürings von Ringoltingen "Melusine" haben zahlreiche Motive geliefert. Fouqué selbst erklärte in einem Brief, ihm habe das Traktat über die Elementarlehre "Liber de nymphis ..." von Paracelsus aus dem 16. Jahrhundert als Vorlage gedient, das wiederum kurz die Staufenbergsage nacherzählt.

Undine hat zwar keinen Fischschwanz wie viele ihrer literarischen Schwestern, doch ist sie zweifellos dennoch eine Außenseiterin in der Menschenwelt und bleibt es auch nach ihrer Beseelung. Intrigen sind ihr fremd, liebevoll steht sie sogar ihrer Rivalin Bertalda gegenüber. Huldbrand könnte sich nach romantisch-biedermeierlichen Vorstellungen glücklich schätzen, eine solch liebenswerte, schöne und sittsame Frau an seiner Seite zu haben - doch unbewusst distanziert er sich zunehmend von Undine und nähert sich der einstigen Verlobten wieder an, die ihm als Menschenfrau eben doch vertrauter ist. Fouqué präsentiert ein komplexes Dreiecksverhältnis, das auf ein ungewisses Ende hinausläuft. Da ist die liebenswerte, unschuldige Undine, die einfach nur mit ihrem Ehemann in Frieden leben möchte und kaum noch an das wilde, kecke Naturgeschöpf vor der Beseelung erinnert. Da ist Ritter Huldbrand, der weder von der einen noch von der anderen Frau lassen kann und es sich mit Naturmächten verscherzt, die man besser unbehelligt lässt. Und da ist Bertalda, die für Undine zunächst von Huldbrand verlassen wird. Ungeachtet dessen zieht sie sogar zu dem Pärchen auf die Burg und steht Undine mit gemischten Gefühlen gegenüber: Die oberflächliche Bertalda ist zwar gewiss keine Sympathieträgerin, doch ein bisschen Mitleid kann man mit ihr durchaus empfinden, schließlich ist es alles andere als schön, aus heiterem Himmel für eine fremde Frau verlassen zu werden.

Die Erzählung schwelgt in anschaulichen Naturbeschreibungen, vor allem der Anfangsteil, in dem Undine und Huldbrand frisch verliebt auf der Insel leben, ist sehr poetisch. Die Handlung ist spannend, denn wirklich vorherzusehen ist der Ausgang der Geschichte nicht, auch wenn gewisse Vorausdeutungen Hinweise geben. Eine gelungene Nebenfigur ist Undines Oheim Kühleborn, der misstrauisch darüber wacht, dass seine Nichte in der Menschenwelt gut behandelt wird. Mal als alter Mann und mal als sprudelnder Bach tritt er in Erscheinung und erinnert Huldbrand durch seine Präsenz daran, dass Undine bei aller scheinbaren Menschlichkeit doch immer Teil der Elementarwelt sein wird.

In blumiger, aber nicht zu überladener Sprache schildert der Erzähler die bewegenden und gefühlvollen Ereignisse, die zwischen Dramatik, Sentimentalität und leichtem Grusel schwanken. Mehrfach spitzen sich die Ereignisse zu und der Leser ist geneigt, das Büchlein in einem Rutsch zu lesen, um den Ausgang zu erfahren. Sicherlich ist das Kunstmärchen an manchen Stellen etwas zu kitschig geraten, doch hält sich Fouqué in Sachen Schwülstigkeit und Moralisieren im Vergleich zu etlichen seiner anderen Werke vergleichsweise zurück. Der Gegensatz zwischen Mensch und Natur, aufgeklärte Welt gegen rätselhaften Mythos, der Antagonismus der Geschlechter, progressive Universalpoesie und romantische Naturphilosophie sind die Themen, die Fouqué in seinem Märchen streift und die den Leser auch nach der Lektüre noch eine Weile beschäftigen.

Fazit:

Ein unterhaltsames und rührendes Kunstmärchen der Romantik, das sich leicht lesen lässt, eine reizvolle Geschichte erzählt und nicht zu vorhersehbar ist. Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Werk, das zu Recht viele Dichter und Musiker zu eigenen Werken inspiriert hat.