13. April 2013

Blindwütig - Dean Koontz

Produktinfos:

Ausgabe: 2012
Seiten: 432
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Der Autor:

Dean Koontz, geboren 1945 in Pennsylvania, gehört zu den erfolgreichsten Horrorschriftstellern Amerikas. Vor seiner Karriere arbeitete er als Lehrer und veröffentlichte zwischendurch immer wieder Kurzgeschichten und Romane, zunächst mit geringem Erfolg. Der Durchbruch gelang ihm mit "Flüstern in der Nacht", es folgten zahlreiche Bestseller, darunter Werke wie "Unheil über der Stadt", "Ort des Grauens", "Intensity", "Trauma", "Todesregen" und die Frankenstein-Trilogie.

Inhalt:


Der Bestseller-Autor Cullen "Cubby" Greenwich führt ein glückliches Leben mit seiner Frau Penny und dem hochbegabten sechsjährigen Sohn Milo. Kurz vor Erscheinen seines neuen Romans werden wie üblich Vorabrezensionen wichtiger Kritiker abgegeben - und zum ersten Mal rezensiert auch der mysteriöse und als sehr eigenwillig bekannte Kritiker Shearman Waxx eines von Cubbys Werken. Das Ergebnis ist ein herber Verriss. Cubbys Verleger ist begeistert, da diese Rezension gute Werbung ist, Cubby ist allerdings getroffen.

Neugierig auf Waxx, der extrem zurückgezogen lebt, provoziert Cubby eine Begegnung im Restaurant mit ihm. Waxx erkennt ihn und sagt nur ein Wort: "Verdammnis". Kurz darauf bricht die Katastrophe über Cubbys Leben herein: Zunächst erscheint Waxx in seinem Haus, um sofort danach spurlos zu verschwinden, dann taucht er nachts in ihrem Schlafzimmer auf und verpasst Cubby und Penny Elektroschocks.

Cubby erhält eine Warnung von einem ehemaligen Opfer von Waxx - offenbar handelt es sich bei Shearman Waxx um einen Psychopathen, der selbst vor Mord nicht zurückschreckt. Zugleich scheint er beste Verbindungen in höchste Kreise zu haben, sodass es keinen Sinn hat, die Polizei einzuschalten. Cubby und seine Familie fliehen, doch Waxx folgt ihnen unermüdlich - und vor allem scheint er nicht allein zu handeln ...

Vorsicht, bissiger Kritiker


Die Grundidee des Romans erinnert an eine Art Gegenentwurf zum Roman "Misery", in dem Koontz' Kollege Stephen King vor einigen Jahren ebenfalls den Albtraum eines Autors zu Leben erweckte - war es dort der größte Fan, der sich als Psychopath entpuppte und den Autor entführte, ist es hier ein Rezensent, der nicht nur mit bösen Worten, sondern mit mörderischen Ambitionen auf den Autor reagiert. Diese Ausgangslage hat Potential, wird von Dean Koontz leider nach gutem Beginn mehr und mehr in die falsche Richtung getrieben.

Die ersten Kapitel sind durchaus vielversprechend: Ich-Erzähler Cubby erscheint als recht sympathischer Zeitgenosse, ein erfolgreicher, aber nicht abgehobener Autor mit Hand zur Selbstironie und hoffnungsloser technischer Unbegabtheit. Zudem wird immer wieder zart angedeutet, dass sich in seiner Kindheit irgendein dramatisches Ereignis abspielte, das er beinah mit dem Leben bezahlte und wovon nicht einmal seine Frau weiß - das aber offenbar später in der Handlung noch eine wichtige Rolle spielt. Cubbys Ehefrau Penny ist Kinderbuchautorin und -illustratorin, seit zehn Jahren sind die beiden miteinander glücklich. Cubbys Reaktion auf Waxx' Verriss macht ihn noch sympathischer - obwohl ihm alle abraten, sich näher damit zu befassen, kann er es nicht abhaken. Mit einer fundierten Kritik könnte er leben, ihn ärgert allerdings, dass Waxx ihn offenbar gründlich missverstanden hat - und vor allem ärgert ihn, dass Waxx selbst eher unbeholfene Satzkonstruktionen benutzt. Dass man online so gut wie nichts über den Kritiker erfährt, macht ihn erst recht neugierig und es kommt ihm nur recht, als sich herausstellt, dass er ganz in der Nähe wohnt und sie das gleiche Stammrestaurant haben. Waxx erscheint auch nach der ersten Begegnung nicht weniger mysteriös und seine ersten psychopathischen Anwandlungen sorgen für viel Spannung.

Statt es aber bei einer realistischen Entwicklung zu belassen, zeigt Waxx fast schon übermenschliche Fähigkeiten bei der Verfolgung der Greenwiches und die Handlung versucht scheinbar, immer wieder einen neuen Höhepunkt zu finden - mal explodiert das Haus der Greenwiches, mal erfahren sie von neuen Gräueltaten von Waxx, mal werden vor ihren Augen Menschen erschossen und das Ende will schließlich noch ein weiteres Mal in mehrfacher Hinsicht für Furore sorgen und übertreibt es dabei in seiner Spektakularität. Bei aller Spannung und Dramatik hätte Koontz es ruhig bei einem realistischen Werk belassen können, bei einem Kritiker, der sich als Psychopath entpuppt und einem ihm verhassten Autor das Leben zur Hölle macht, ohne dass übernatürliche Elemente und Verschwörungen ins Spiel kommen.

Man kann Dean Koontz sicher nicht vorwerfen, er habe zu langweilige Charaktere geschaffen - allerdings schießt er im Gegenzug bei seinen Figuren etwas zu sehr übers Ziel hinaus, was Skurrilität betrifft. Das gilt vor allem für Pennys Eltern, eigentlich Larry und Nancy Boom, sie nennen sich allerdings Grimbert und Clotilda. Beide sind herzensgute Menschen mit eindrucksvollem Äußeren und einigen Spleens - Grimbert ist ein bärenhafter Mann von zwei Metern, Clotilda eine 1,90-Walküre mit langen schwarzen Haaren und einem wettergegerbtem Gesicht, beide muskulös und leidenschaftliche Jäger. Clotilda liest regelmäßig die Zukunft aus Kaffeesatz und heruntergefallenen Eiern, zudem sind sie stolze Besitzer eines Bunkers mit so ausgefeilten Sicherheitsvorrichtungen und Vorräten, dass sie der ihrer Meinung nach drohenden Apokalypse gelassen entgegen sehen. Milo wiederum ist nicht irgendein sechsjähriger Junge, sondern hochbegabt auf technischem Gebiet und leider daher schon bald ein eher nerviger Charakter. Die meiste Zeit in der Handlung ist Milo mit einer Computerapparatur beschäftigt, reagiert einsilbig und abweisend auf die Fragen seines Vaters, weil jede Erklärung zu wissenschaftlich für ihn sei und deutet an, dass er allein am Ende mit seiner Apparatur sie alle retten kann. Zwischendrin gibt er altkluge Bemerkungen von sich und verhält sich selbst für ein hochbegabtes Kind so erwachsen angesichts von explodierenden Häusern und Toten, als könne ihn nichts erschüttern.

Zu dick aufgetragen wurde auch bei Lassie, dem Australien-Shepherd-Mischling, der immer zu verstehen scheint, was um sie herum geschieht und gesagt wird. Anfangs erscheint es noch mehr oder weniger aussichtslos, vor Sherman Waxx zu fliehen, der ihnen offenbar dank Peilsendern, Internethacking und Polizeibeziehungen immer einen Schritt voraus ist - dieses ohnehin schon recht unrealistische Szenario wird aber noch von den Manövern der Greenwiches getoppt. Mal ist es der sechsjährige Milo, der genau sagen kann, wie es weitergeht, mal bieten Pennys Eltern in ihrem uneinnehmbaren Bunker Schutz und natürlich ist auch Milos Babysitterin keine gewöhnliche ältere Dame - sondern die kampferprobte Witwe eines ehemaligen Kriminalpolizisten, den sie stets im Armdrücken schlug, nicht zu vergessen, dass sie schon einmal zwei Einbrecher im Handumdrehen überwältigte. Sicher haben diese Charaktere ihren Reiz, doch es nimmt der Handlung einiges an Brisanz, dass die Greenwiches von solchen Superhelden umgeben sind. Dazu passt auch, dass sie während der gesamten Flucht Lassie bei sich haben und natürlich darauf vertrauen können, dass der Hund weder jemals bellt - denn das tut Lassie nie - noch sonst irgendwelche Schwierigkeiten macht. Die trockenen Bemerkungen, die Cubby und Penny ab und zu fallen lassen, sind zwar ganz witzig, allerdings angesichts ihrer jeweiligen Situation auch nicht gerade glaubwürdig.

So fällt es zunehmend schwerer, sich in die Protagonisten hineinzuversetzen. Zusätzlich nervt es mit der Zeit, wie oft auf Cubbys technischem Unverstand herumgeritten wird. Anfangs ist es noch lustig, dass ab und zu Anspielungen von ihm seiner Frau oder Milo fallen, was er in der Vergangenheit alles schon mit seinen zwei linken Händen angerichtet hat, allerdings erwähnt Cubby es fast jedes Mal, wenn irgendein technisches Gerät in der Handlung auftaucht - etwa wenn er die Computermaus bedienen kann, "ohne dabei das Internet zu löschen", wie er es formuliert.

Fazit:

Ein anfangs verheißungsvoller Thriller, der leider mehr und mehr ins Unrealistische driftet. Sicher ist die Lektüre recht kurzweilig und unterhaltsam, zwischendrin immer wieder witzig und die Charaktere sind originell und teils sehr sympathisch - doch es reihen sich zunehmend völlig übertriebene Szenen aneinander, ganz zu schweigen von der überflüssigen übernatürlichen Komponente.

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