4. Oktober 2012

Stimmen aus dem Kamin - Ursula Isbel

Produktdetails:

Ausgabe: 1977
Seiten: 160
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Die Autorin:

Ursula Isbel wurde 1942 in München geboren. Nach ihrem Studium der Modegraphik arbeitete sie zunächst als Lektorin, ehe sie mit 27 Jahren ihren ersten Roman veröffentlichte. Seitdem hat sie zahlreiche Kinder- und Jugendbücher verfasst. Zu ihren bekanntesten Werken zählen: Die Serie "Reiterhof Dreililien", die Serie "Pferdeheimat im Hochland", "Das Haus der flüsternden Schatten" und "Rätsel der Vergangenheit".

Inhalt:


Seit dem Tod ihrer Mutter und dem viel früheren Tod des Vaters lebt die siebzehnjährige Jessica im Internat. Überraschend erhält sie Nachricht von ihrer bisher fremden Tante Laura: Lauras Mann, Jessicas Onkel Richard und Bruder ihrer Mutter, ist nach langer Krankheit verstorben und Jessica soll die Ferien auf Schloss Greifenstein, dem prachtvollen Anwesen des Onkels, verbringen. Jessica kennt das Schloss aus vielen Erzählungen ihrer Mutter, die sich einst mit ihrem Bruder zerstritt. Schuld war Tante Laura, der die Mutter misstraute, und so brach der Kontakt ab.

Auf dem herrlichen Greifenstein erfährt Jessica, dass sie nicht nur über die Ferien bleiben soll - sondern dass ihr unbekannter Onkel ihr das Anwesen mitsamt den Ländereien und allen Besitztümern vererbt hat. Jessica nimmt diese große Neuigkeit mit gemischten Gefühlen auf - einerseits ist sie glücklich über diesen plötzlichen Reichtum, andererseits fühlt sie sich unwohl. Tante Laura wirkt kalt und ist offenbar sehr unzufrieden damit, dass nicht sie das Anwesen geerbt hat. Zudem hat sie anscheinend ein Verhältnis mit dem Verwalter Jasper, den Jessica auf Anhieb unsympathisch findet.

Dagegen fasst sie schnell Vertrauen zu der alten Nanni, dem ehemaligen Kindermädchen der Mutter, und zu dem Gärtnerssohn Kai. Da sie erst mit der Volljährigkeit die Verfügungsgewalt bekommen wird, ist sie dem Verwalter Jasper und Tante Laura als Vormund teilweise ausgeliefert. Als Nanni bei einem Sturz schwer verletzt wird und nachts seltsame Schritte und Rufen zu hören sind, spürt Jessica, dass sie in Gefahr ist. Was ist dran an den Gerüchten, dass es hier spukt ...?

Nanu, wer flüstert da?


Neben Kinder- und vor allem Pferdebüchern hat Ursula Isbel auch einige Romantikthriller für junge Mädchen geschrieben, die sich vor allem durch dichte Atmosphäre, ein wenig Grusel und einen Schuss Romantik auszeichnen. Die siebzehnjährige Jessica ist ein sympathisches Mädchen: Insgesamt durchaus aufgeschlossen und selbstbewusst, aber trotzdem erst einmal unsicher, was in ihrem neuen Leben alles auf sie zukommt. Über Nacht wird aus der verwaisten Internatsschülerin eine reiche Erbin, deren neues Zuhause auf einer wundervollen Burg liegt. Die Beschreibungen lassen Greifenstein vor den Augen des Leser lebendig werden: Die dichten Tannenwälder ringsherum, die hohe Lage auf dem Berg, die eindrucksvollen Hallen, das romantische Erkerzimmer, das einst Jessicas Mutter gehörte, die mächtige Burgmauer und der gemütliche Pferdestall. Rasch verliebt sich Jessica in diese Gegend und doch fühlt sie sich unwohl unter den Augen ihrer Tante.

Tante Laura ist eine schön, noch recht junge Frau, die Jessica überwiegend kühl begegnet. Schlimmer ist aber noch der Verwalter Jasper, ein zwar attraktiver, aber auch berechnender Mann, dem Jessica nicht über den Weg traut. Jessica weiß, dass sie hier nicht willkommen ist und ist umso entschlossener, auf der Burg zu bleiben. Die Freundschaft zum hilfsbereiten Gärtnerssohn Kai erhält durchaus einen einen leicht romantischen Anstrich, der aber stets sehr dezent bleibt - die beiden reiten gemeinsam aus, Jessica vertraut ihm all ihre Sorgen an und man spürt, dass sich zwischen beiden die erste Liebe entwickelt, aber es bleibt bei Andeutungen. Damit eignet sich das Buch auch schon für Leserinnen um die zwölf Jahre, die vielleicht noch kein Interesse daran haben, über Liebesbeziehungen zu lesen.

Die Geschichte spielt mit den Träumen junger Mädchen, selbst in so einem herrlichen Schloss zu leben, Pferde zu besitzen und weitgehend unabhängig zu sein - aber die Handlung ist auch gruselig und dramatisch. Jessica hört immer wieder abends unerklärliche Schritte über ihrem Zimmer, aus dem Kamin ruft eine flüsternde Stimme ihren Namen, eine unheimliche Gestalt taucht bei einem Waldritt auf. All das geschieht immer nur, wenn das Mädchen alleine ist und Tante Laura scheint allmählich an Jessicas Verstand zu zweifeln.

Allerdings ist die Handlung auch für junge Leserinnen schon recht vorhersehbar. Zu offensichtlich ist von Anfang an, dass Tante Laura und Jasper Jessica nicht wohlgesonnen sind. Jessica erinnert sich zudem sofort an eine Warnung ihrer verstorbenen Mutter, Laura nicht zu trauen. Das nimmt der Geschichte natürlich eine gewisse Spannung heraus, besser wäre gewesen, Laura und Jasper nicht sofort als hinterhältig darzustellen.

Beim Ende kommt leider ein deus ex machina zu Hilfe: Kurz vor Schluss gibt es ein zufälliges Ereignis, das für eine besondere Wendung sorgt. Damit erledigt sich ein großes Problem quasi von selbst, was für den Leser umso enttäuschender ist. Letztlich sind auch die Informationen zu Jessicas Vorleben ein bisschen zu rar gesät. Man erfährt beispielsweise kaum etwas darüber, wer sich früher um das immerhin noch nicht volljährige Mädchen gekümmert hat, welche Vertrauenspersonen es gab, wer sie in juristischen und gesetzlichen Angelegenheiten unterstützt hat. Angekommen auf Greifenstein, scheint es fast so, als habe Jessica bisher keine anderen Freunde oder Vertraute gehabt, es gibt keinerlei Kontakt mehr zu ihrem Internat, und das ohne nähere Erklärungen.

Fazit:


Ein recht unterhaltsames Mädchenbuch für Leserinnen ab zwölf Jahren. Die Geschichte ist atmosphärisch mit ein bisschen Grusel und einem Hauch Romantik. Die Handlung ist aber zu vorhersehbar geraten und das Ende ist teilweise unnötig konstruiert. Als leichte Lektüre empfehlenswert, das Potential ist aber nicht ausgeschöpft.

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