27. Oktober 2012

Lippels Traum - Paul Maar

Produktinfos:

Ausgabe: 1984
Seiten: 232
Amazon
* * * * *

Der Autor:

Paul Maar, Jahrgang 1937, ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Kinderbuchautoren. Neben Kinder- und Jugendbüchern schrieb er auch Theaterstücke und war, wie bei "Lippels Traum", als Illustrator tätig. Er wurde unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis und dem Brüder-Grimm-Preis ausgezeichnet. Von Paul Maar stammt unter anderem die Reihe um das "Sams". www.dassams.de

Inhalt:

Der zehnjährige Phillipp, von allen "Lippel" genannt, liebt vor allem Sammelbilder und Bücher und besucht gern seine Freundin Frau Jeschke, eine ältere Frau aus der Nachbarschaft. Eines Tages kommen zwei neue Mitschüler in Lippels Klasse. Das Mädchen Hamide und Bruder Arslan stammen aus der Türkei. Im Gegensatz zu Hamide kann Arslan nicht viel deutsch, weshalb er nur wenig spricht. Kurz darauf müssen Lippels Eltern zu einem Kongress nach Wien verreisen. Damit Lippel in der Zeit nicht alleine bleibt, stellen sie die pingelige Frau Jakob, die Bekannte einer Freundin, als Babysitterin ein.

Als Trost schenkt Lippels Mutter ihm ein Buch mit den Geschichten aus "Tausendundeiner Nacht". Die erste Geschichte dreht sich um einen Prinzen, dem großes Unglück prophezeit wird, wenn er in den nächsten sieben Tagen auch nur ein einziges Wort spricht. Lippel liest heimlich abends im Bett, doch bevor er erfährt, was mit dem Prinzen geschieht, nimmt ihm Frau Jakob das Buch weg. Lippel jedoch träumt die Geschichte weiter - und plötzlich beginnen sich Traum und Wirklichkeit miteinander zu vermischen. Der Prinz und die Prinzessin aus dem Traum sehen aus wie seine neuen Mitschüler. Die Tante des Prinzen sieht der strengen Frau Jakob täuschend ähnlich und sie ist es auch, die eine Intrige gegen den Prinzen startet, der daraufhin gemeinsam mit seiner Schwester vom Königshof verbannt wird.

Während Lippel nachts gemeinsam mit den Königskindern durch das Morgenland flüchtet, immer verfolgt von den Häschern des Königs, die sie irrtümlich für Verräter halten, freundet er sich tagsüber mit Arslan und Hamide an und besucht Frau Jeschke. Mit Frau Jakob dagegen wird das Zusammenleben immer schwieriger. Die Streitereien häufen sich und Lippel kann es kaum noch erwarten, bis seine Eltern wiederkommen. Außerdem macht er sich immer größere Sorgen um die Traumkinder Asslam und Hamide - was geschieht, wenn es ihm nicht gelingt, die Geschichte zu Ende zu träumen und sie zu retten ...?

Träume sind Schäume, oder doch nicht?

"Lippels Traum,", der auch als Neuverfilmung in die Kinos kam, ist sicher eines von Paul Maars schönsten Kinderbüchern. Das Besondere an dem Buch ist, dass es zwei Geschichten parallel erzählt. Beide sind für sich genommen lehrreich und spannend zugleich. Der Teil, den Lippel in der Realität erlebt, enthält Punkte, die Kinder seines Alters gut nachvollziehen können:

Lippel muss lernen, eine Woche ohne seine Eltern auszukommen, er muss sich mit einer verständnislosen Erziehungsperson herumschlagen, er schließt Freundschaft mit zwei ausländischen Kindern und er gewinnt Einblicke in eine für ihn fremde Kultur. Anhand von Arslan und Hamide bekommt der Leser auf subtile Weise die Probleme ausländischer Kinder in unserer Gesellschaft aufgezeigt. So verbietet die misstrauische Frau Jakob Lippel den Umgang mit ihnen, während Lippel dieser neuen Welt aufgeschlossen gegenübersteht. Arslan ist ein typisches Beispiel für Kinder, die sich aufgrund von Sprachproblemen schwer damit tun, Freundschaften zu schließen. Zum Glück hat der kleine Türke seine Schwester Hamide - aber viele ausländische Kinder müssen ohne einen Geschwisterteil in einem fremden Land zurechtkommen. Das Buch hilft, diese Problematik Kindern klar zu machen und Vorurteile abzubauen - ohne dabei den erhobenen Zeigefinger zu benutzen. Dazu kommt mit Frau Jeschke eine sehr liebenswerte Gestalt, eine lustige ältere Frau, die zusammen mit Lippen ein auf den ersten Blick sehr ungleiches Paar bildet - aber die beiden verstehen sich einfach gut und Frau Jeschke ist ein bisschen wie ein Oma-Ersatz für den Jungen.

Der Teil, den Lippel im Traum erlebt, ist ein klassisches Abenteuer im 1001-Nacht-Stil, das Kinder wegen seiner Aufregung lieben werden. Lippel und die Königskinder müssen um ihr Leben fürchten und schlagen sich gemeinsam im alten Orient durch. Hier finden sich alle Motive, die es für ein spannendes Märchen braucht: Ein prächtiger Palast mit einer Königsfamilie, eine Intrige gegen zwei Kinder und eine rasante Flucht vor exotischer Kulisse durch die Wüste. Auch der Humor kommt natürlich nicht zu kurz: Lustig wird das Buch vor allem dann, wenn Traum und Wirklichkeit ineinanderfließen und Lippel diese Bereiche nicht mehr richtig trennen kann. Denn Arslan und Hamide wissen nichts von ihrer Rolle in seinen Träumen und finden manche seiner Aussagen daher ausgesprochen verwirrend ...

Die zwei parallelen Handlungsstränge sind so geschickt miteinander verwoben, dass man nie durcheinander gerät. Selbst junge Leser im Grundschulalter werden damit keine Probleme haben, sondern vielmehr immer den weiteren Ereignissen entgegenfiebern. Werden die bösen Intrigen der Tante entlarvt werden? Können die beiden Königskinder an den Hof zurückkehren? Und wie geht es mit Lippels Freundschaft zu Arslan und Hamide aus und was geschieht mit der strengen Frau Jakob? Zu guter Letzt lädt auch die Hauptfigur Lippel zum Identifizieren ein. Zum Einen ist er ein ganz gewöhnlicher Junge und kein Superheld, zum Anderen hat er Probleme, die die meisten Kinder so oder so ähnlich von sich selber kennen.

Der Stil ist sehr einfach und kindgerecht gehalten, dabei aber nie langweilig. Er ist für Kinder wie für Erwachsene gleichermaßen geeignet und lässt das Buch in kürzester Zeit durchlesen. Zu bemängeln gibt es kaum etwas - nur eine kleine Unlogik: Es ist nicht nachvollziehbar, warum Lippels Eltern ihm eine wildfremde Frau, die von Kindern offensichtlich nicht viel versteht, als Babysitterin vorsetzen, anstatt dafür direkt Frau Jeschke zu nehmen, bei der Lippel sowieso regelmäßig vorbeischaut, zumindest hätte Lippel diesen Vorschlag machen können.

Fazit:

Ein sehr lesenswertes Kinder-Buch ab dem Grundschulalter mit viel Spannung; lehrreich für kleine Leser auf eine angenehm unaufdringliche Art und mit viel abenteuerlichem Flair vor exotischer Kulisse.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.