9. Oktober 2012

Gefährliche Begierde - Tess Gerritsen

Produktdetails:

Ausgabe: 2005
Seiten: 364
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Die Autorin:

Tess Gerritsen praktizierte mehrere Jahre lang als Ärztin, ehe sie sich nebenbei dem Schreiben widmete und 1987 ihren ersten Roman veröffentlichte, dem bald weitere folgen sollten. Ihre Arbeit inspirierte sie zu ihrem ersten Medizin-Thriller "Kalte Herzen", mit dem ihr der internationale Durchbruch begann. Ihr größter Erfolg ist die Maura Isles & Jane Rizzoli-Reihe, in der z. B. die Romane "Die Chirurgin", "Der Meister", "Todsünde" und "Schwesternmord" erschienen.

Inhalt:

Die junge Journalistin Miranda Wood beendet ihr Verhältnis mit ihrem verheirateten Chef Richard Tremain und beschließt, ein neues Leben anzufangen. Dann erreicht sie eines Abends ein Anruf ihres ehemaligen Geliebten, der seinen Besuch ankündigt. Miranda verlässt in aller Eile ihre Wohnung, um einer Begegnung auszuweichen. Als sie später zurückkehrt, findet sie Richard erstochen in ihrem Bett vor. Obwohl sie ihre Unschuld beteuert, ist sie die Hauptverdächtige - erst recht aus der Sicht von Richards Familie, den schwerreichen Tremains.

Auch Chase Tremain, der Bruder des Verstorbenen, der nach vielen Jahren wieder in die Stadt reist, glaubt zunächst an ihre Schuld. Das verstärkt sich noch, als Miranda zur Überraschung aller, ihre eigene eingeschlossen, Richards Cottage vermacht bekommt. Damit steht scheinbar auch ihr Motiv fest. Doch je näher Chase Miranda kennenlernt, desto sympathischer wird sie ihm und er glaubt immer weniger an ihre Schuld. Miranda geht es umgekehrt nicht anders. Schon bald merkt sie, dass Chase ganz anders als sein skrupelloser Bruder ist und er ihr helfen möchte.

Miranda steht vor einer Menge Fragen: Wer ist der Unbekannte, der ihr anonym die Kaution zur vorläufigen Freilassung bezahlt hat? Wer steckt in Wirklichkeit hinter dem Mord? Und wer versucht Miranda nach dem Leben zu trachten? Chase und Miranda suchen fieberhaft nach dem wahren Mörder, denn sie wissen: Nur so kann Miranda ihre Unschuld beweisen ...

Eifersucht, die Leiden-schafft


2004 gelang Tess Gerritsen auch in Deutschland der Durchbruch mit ihrem Medizinthriller "Die Chirurgin". Der Spannungsroman über einen perfiden Serienkiller eroberte die Bestsellerlisten und bildete den Auftakt zu weiteren Folgebänden, die in der Popularität wenig nachstanden. Dieser Erfolg war wohl ausschlaggebend, um das vorliegende Werk mehr als zehn Jahre nach seinem US-Erscheinen ins Deutsche zu übersetzen - doch ob man der Autorin damit einen Gefallen getan hat, sei dahingestellt, denn einem Vergleich mit ihren aktuellen Werken hält dieser Thriller in keiner Hinsicht stand.

Dabei ist die gewählte Ausgangssituation nicht die schlechteste: Ein Mord und eine ehemalige Geliebte, ein Bruder, der sich in die Tatverdächtige verliebt, ein überraschendes Testament und Bedrohungen durch einen Unbekannten - aus den Zutaten lässt sich vielleicht nicht unbedingt Hochliteratur, aber doch sicher ein unterhaltsamer und fesselnder Spannungsroman basteln.

~ Spannungsarmut ~

Gerade in Sachen Spannung lässt der Roman allerdings zu wünschen übrig. Der Hauptgrund dafür liegt in der verschenkten Möglichkeit, Mirandas Rolle zwielichtiger zu gestalten und nicht nur für Chase, sondern auch für den Leser zunächst offen zu lassen, ob sie eine Mörderin ist oder nicht. Genau dieses Szenario suggeriert nämlich auch der Klappentext, in dem vor allem auf Chases Unsicherheit, ob er Miranda glauben darf oder nicht, in den Vordergrund gestellt wird. Doch anstatt dass der Leser sich diese Frage gleichfalls stellen darf, erlebt er mit, wie Miranda den toten Richard in ihrer Wohnung findet - und weiß somit von Anfang an, dass sie unschuldig ist. Damit beruht die Spannung des Romans hauptsächlich aus der Frage nach dem wahren Täter und seinem Motiv. Aber auch hier gibt es Mängel, denn allzu groß ist der Kreis der in Frage kommenden Kandidaten nicht. So ahnt man denn auch sehr frühzeitig, wer der Mörder sein könnte. Im letzten Viertel des Romans fällt eine scheinbar harmlose Bedeutung, bei der man bereits vermutet, dass sie später noch eine Rolle spielen wird, was sich letztlich auch bestätigt. So wird man zum Schluss nicht mal mit der Entschädigung einer überraschenden Wendung konfrontiert.

~ Blasse Charaktere ~

Schwächen zeigen sich auch in den Charakteren. Miranda Wood ist dem Leser zwar nicht unsympathisch und man wünscht ihr durchaus, dass alles für sie ein gutes Ende nimmt. Aber wirklich bewegt wird man von ihrem Schicksal nicht. Bereits beim Lesen ahnt man, dass ein Happy End nur ein "Na fein" auslösen wird und entsprechend ein negativer Schluss nicht viel mehr als ein kurzes "Schade". Von Mitfiebern kann hier nicht die Rede sein, denn dafür fehlt es der Protagonistin einfach zu sehr an markanten Charakterzügen, die sie vor dem geistigen Auge lebendig zaubern würden.

Ähnliches gilt für die zweite Hauptfigur Chase Tremain. Sein innerer Kampf mit der aufkeimenden Sympathie für Miranda und seinem Bestreben, sich von ihr fernzuhalten, könnte interessant sein, bleibt dafür aber zu sehr an der Oberfläche. Das gilt ebenso für die Liebesbeziehung der beiden, bei der der Funke zum Leser nicht überspringen will. Auch für die Darstellung der Figur Chose wäre es von Vorteil gewesen, wenn Mirandas Schuld oder Nichtschuld für den Leser ungewiss wäre, denn dadurch würde man stärker mit ihm leiden und sein Problem besser nachvollziehen können. Nur am Rande sei erwähnt, dass auch weder Richards Witwe Evelyn noch ihre beiden Kinder in irgendeiner Weise als charismatisch auffielen und dem Leser im Gedächtnis bleiben würden.

~ Fehler über Fehler ~

Auf den knapp 350 Seiten finden sich in der Mira-Ausgabe mindestens 30 Fehler was Zeichensetzung, Wortauslassungen und Groß- und Kleinschreibung betrifft. Ungefähr zehnmal wird die förmliche Anrede "Sie" kleingeschrieben, an anderen Stellen Worte wie "ihn" fälschlicherweise groß. Mehrfalls steht dort ein Komma, wo ein Punkt hingehört und umgekehrt, andere Male fehlen die Leerzeichen. Bei Sätzen wie "Philip immer noch auf den Tasten des Klaviers herum" wurde sogar das Verb vergessen, bei "Nachtmittag" hat sich ein "t" zu viel eingeschlichen, an anderer Stelle finden sich Buchstabendreher. Irritierend ist außerdem, dass für die Übersetzung grundsätzlich die neue Rechtschreibung verwendet wurde, sich die Kommasetzung bei der wörtlichen Rede aber inkonsequenterweise an der alten orientiert - es erfolgen also keine Kommata nach Ausrufe- oder Fragezeichen am Ende der wörtlichen Rede. Natürlich kommt kaum ein längeres Buch ohne einen einzigen Fehler aus, aber in dem Fall ist das Maß des Akzeptablen weit überschritten. Beim Lesen drängt sich der Verdacht auf, dass nach dem Übersetzen kein einziges Mal Korrektur gelesen wurde.

~ Wenig Positives ~

Unterm Strich bleibt leider ein deutlich negatives Bild, das nur wenige Lichtblicke aufweist. Immerhin will man letztlich doch erfahren, wer der Täter ist und welches Motiv ihn bewegte. Trotz der vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler ist das Buch stilistisch zwar - zumindest in der deutschen Übersetzung - anspruchslos, aber weitestgehend flüssig geschrieben. Zum Schmunzeln regen ein paar Szenen mit Homer Sulaway und Miss St. John an: Dem alten Homer Sulaway hat Chase vor 25 Jahren das Fenster mit einem Baseball eingeworfen, woran sich der cholerische Mann noch bestens erinnern kann. Miss St. John ist eine würdige alte Lady, deren kalbsgroße Seele von einem Hund namens Ozzie ihren Besuchern mit nervtötender Zärtlichkeit begegnet, so dass man als Leser gar nicht anders kann, als dieses lammfromme Riesentier von Beginn an liebzugewinnen. Dass Ozzie insgesamt einer der interessantesten Charaktere des Buches ist, was kaum so beabsichtigt ist, spricht allerdings wiederum für die mangelnde Qualität.

Fazit:

Das Frühwerk der heutigen Bestsellerautorin entpuppt sich leider in allen Belangen als unterdurchschnittlicher Thriller. Sowohl Spannung als auch farbige Charaktere sind hier Mangelware, auch den wahren Mörder errät der Leser früher als geplant, so dass überraschende Wendungen ausbleiben. Für zusätzlichen Ärger sorgt das sehr mangelhafte Lektorat der deutschen Übersetzung, das Dutzende Fehler übersehen hat. Insgesamt nur für eingefleischte Tess Gerritsen-Fans zu empfehlen, die ihre Sammlung komplettieren wollen.

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