1. Juli 2012

Der Funke des Chronos - Thomas Finn

Produktinfos:

Ausgabe: 2006
Seiten: 412 Seiten
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Der Autor:

Thomas Finn wurde 1967 in Chicago geboren und lebt heute in Hamburg. Nach seinem VWL-Studium arbeitete er als Journalist und Autor, vor allem für die Rollenspielreihe "Das Schwarze Auge". Weitere Werke sind u.a. "Weißer Schrecken", Chroniken der Nebelkriege-Trilogie und Die Wächter von Astaria-Trilogie.

Inhalt:


Der Medizinstudent Tobias wurde als Baby vor ein Waisenhaus gelegt und weiß bis heute nicht, wer seine Eltern sind. Dafür erhält er aber Jahr für Jahr Weihnachtsgeschenke von einem unbekannten Gönner. Dieses Jahr erhält er zusätzlich eine Einladung, der er aus Neugierde folgt. Er wird von einem alten Uhrmacher erwartet, der offenbar seine Herkunft kennt und dazu von einer angeblichen Zeitmaschine spricht, die er konstruiert hat. Bevor er alles erklären kann, kommt es zu einem schrecklichen Zwischenfall und Tobias flüchtet überhastet in die Maschine.

Das Gerät funktioniert tatsächlich - und er landet im Hamburg des Jahres 1842. Dort rettet er die junge Caroline Lewald und deren Freundin vor einem Angreifer und wird von der reichen Familie dankbar aufgenommen. Tobias täuscht einen Gedächtnisverlust vor, um nichts über seine Herkunft verraten zu müssen und darf bis auf weiteres bei den Lewalds bleiben. Als er tagsüber zur Zeitmaschine zurückkehren will, ist diese aber verschwunden.

Zur gleichen Zeit treibt sich ein Serienmörder in Hamburg umher, der seine Opfer grauenvoll quält und zurichtet. Die letzte Leiche wird mit Tobias' Ankunft in Verbindung gebracht. Seine Amnesie-Geschichte erscheint dem ermittelnden Polizeiaktuar Kettenburg unglaubwürdig und schon bald gerät er in Verdacht. Verzweifelt versucht er seine Unschuld zu beweisen, die Zeitmaschine zu finden und zu klären, was diese Zeitreise mit seiner Herkunft zu tun haben könnte. Dabei kommt ihm nicht nur Caroline zu Hilfe, sondern auch der Dichter Heinrich Heine ...

Bewertung:

Auch wenn Zeitreisen alles andere als logisch sind, verlieren Geschichten darüber nichts von ihrer Faszination. Das wusste auch Thomas Finn und kreierte einen gelungen Jugendschmöker, der auch erwachsene Leser gut unterhält und sogar Spielraum für eine denkbare Fortsetzung lässt.

Gemeinsam mit Protagonist Tobias wird man ins Hamburg zur Mitte des 19. Jahrhunderts entführt und erlebt ein fulminantes Abenteuer. Hauptfigur Tobias eignet sich sehr gut zum Mitfiebern, ist er doch ein sehr sympathischer junger Mann, der aus einem unspektakulären Leben heraus in eine überwältigende Situation geschleudert wird. Seine Exfreundin hat ihn gerade verlassen, Familie hat er keine und alles in allem ist sein Leben gerade recht trostlos, von weihnachtlicher Vorfreude keine Spur. Zu verlieren hat er daher nichts, als er dem rätselhaften Angebot nachkommt, seinen Gönner endlich kennenzulernen. Natürlich glaubt Tobias anfangs überhaupt nicht an Zeitreisen, wird dann aber rasch eines Besseren belehrt. So gut es geht versucht er, sich als normaler Mensch der Biedermeierzeit zu verhalten, immer bemüht, seinen Wortschatz ein wenig anzupassen und glaubwürdig den Amnesiekranken zu spielen. Caroline Lewald kann er allerdings nicht täuschen, die hübsche junge Dame des Hauses, das ihn aufnimmt. Caroline ist ihrer Zeit voraus, eine recht modern denkende Frau, die sich besonders für den Tierschutz engagiert und sich längst nicht so angepasst verhält, wie es sich angesichts ihrer Herkunft ziemen würde. Zwischen den beiden entwickeln sich natürlich auch zarte Liebesbande, ohne dass sie explizit ausgesprochen werden. Caroline erfährt schließlich auch von Tobias' Geheimnis um seine Herkunft, weiß aber lange nicht, ob sie ihm glauben kann.

Eine gelungene Nebenfigur ist auch ihr Vater, der wohlhabende Eisenbahn-Aktionär Justus Lewald, der nebenbei ein großes Faible für ausgefallene Erfindungen hat. In einem Nebenstrang spielt Polizeiaktuar Kettenburg eine wichtige Rolle, der den Serienmörder sucht und dabei unweigerlich den aus seiner Sicht mysteriösen Tobias verdächtigt. Für viele lustige Momente sorgt der Nachtwächter Borchert, den Kettenburg später kurzerhand zum assistierenden Konstabler ernennt und der ein weiterer Verbündeter von Tobias wird - ein beständig in Plattdeutsch plaudernder Geselle, der auch in chaotischen Situationen nicht seine gemütliche Art verliert. Besondere Erwähnung verdient natürlich auch der Dichter Heinrich Heine, charmant und unkonventionell, der in die Ereignisse verwickelt wird. Anfangs ist auch er sehr misstrauisch gegenüber Tobias, ehe sich die beiden verbünden und gemeinsam das Abenteuer um die Zeitmaschine meistern.

Die Handlung ist frei von Längen, im Gegenteil überstürzen sich die Ereignisse ein ums andere Mal. Es geht einmal natürlich um die Frage, ob und wie Tobias die Zeitmaschine wiederfindet und zurück in die Gegenwart gelangen kann, warum ausgerechnet er dazu auserwählt wurde, diese Reise anzutreten, die anscheinend irgendwie mit seiner Herkunft zusammenhängt und auch, was es mit der grausamen Mordserie auf sich hat, die selbstredend gleichfalls mit der Zeitmaschine in Zusammenhang steht. Tobias gerät unzählige Male in Gefahr, ebenso wie seine Mitstreiter, allen voran Caroline und es kommt auch vor, dass jemand aus ihrem Umfeld sein Leben verliert. Nebenbei erlebt der Leser hier ein detailliertes Porträt des historischen Hamburg kurz vor dem Großen Brand, der die halbe Stadt zerstörte und der hier natürlich auch zum Thema wird. Zehn Jahre hat der Autor akribisch recherchiert und sich nur in sehr wenigen Fällen der Phantasie bedient. Das Leben der reichen Großbürger wird ebenso gezeigt wie das in den Armenvierteln, immer wieder gibt es kurze Einblicke in die historische Entwicklung der Stadt, Erwähnungen berühmter Bauwerke und Hamburger Redensarten, nicht nur für Ortskundige ein Vergnügen. Um die Authentizität zu erhöhen, sprechen mehrere Nebenfiguren konsequent Plattdeutsch, was sich anfangs etwas schwierig liest, dann aber nicht wegzudenken ist.

Zu bemängeln gibt es an diesem Roman wahrlich wenig. Allerdings ist es schon gewöhnungsbedürftig, was die Reisen mit der Zeitmaschine für Verwirrung mit sich bringen im Versuch, alles halbwegs logisch zu gestalten, denn um gewisse Paradoxien kommt man dabei einfach nicht herum. Das Ganze wird dann am Schluss recht hoch getrieben bis zu dem Punkt, an dem Tobias sich mehrfach selbst begegnet, man sollte besser gar nicht erst versuchen, sich zu fragen, wie das alles nun möglich ist. Die Handlung ist insgesamt ebenfalls ein wenig überladen, kurzzeitig dreht sich beispielsweise alles um Geheimbünde, was dann aber keine große Rolle mehr spielt. Heinrich Heines Mitwirken wiederum ist zwar recht hübsch zu lesen, wäre für die Handlung aber nicht nötig gewesen und wirkt ein bisschen aufgesetzt. Auch das Ende fällt ein klein wenig zu knapp aus, dafür, dass sich auf den letzten Seiten inhaltlich noch einiges tut. Ein bisschen verwunderlich ist nebenbei, dass Tobias sein ganzes Leben in Waisenhäusern zugebracht hat, anstatt in einer Pflege- oder Adoptivfamilie zu leben.

Fazit:


Ein alles in allem sehr lesenswerter Roman, der Zeitreise und Historienkrimi gekonnt miteinander verbindet. Die Charaktere sind größtenteils sehr gelungen, das Lokalkolorit ist überzeugend, die Handlung ist durchweg spannend, mit einigen überraschenden Wendungen. ganz kleine Abzüge gibt es für die etwas übertrieben vollgepackte Handlung sowie das zu sehr ausgereizte Spielen mit dem Zeitparadoxon, ohne aber zu sehr ins Gewicht zu fallen. Für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen empfehlenswert.

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