5. Juni 2012

Stalker - John Saul

Produktinfos:

Ausgabe: 2007
Seiten: 450
Amazon
* * * * *
Der Autor:

John Saul, geboren 1942 in Kalifornien, brach mehrere Studiengänge ohne Abschluss ab, ehe er sich der Schriftstellerei widmete. Bis heute sind mehr als fünfundzwazig Horrorromane und Psychothriller von ihm erschienen, unter anderem "Am Strand des Todes", "Höllenfeuer" und "Die Blackstone Chroniken".

Inhalt:

Familie Marshall führt ein glückliches Leben auf Long Island. Doch seit seiner Beförderung muss Steve oft die ganze Woche in Manhattan verbringen. Die Distanz schadet seiner Ehe mit Kara, und die Miete für die Zweitwohnung verschlingt zu viele Kosten. Daher ist ein Umzug nach Manhattan beschlossene Sache - sehr zum Kummer der siebzehnjährigen Lindsay, die ihre Freunde und das Cheerleaderteam nicht aufgeben will.

Kurz vor dem Umzug ist Lindsay plötzlich verschwunden. Die Polizei glaubt, dass Lindsay aus Ärger ausgerissen ist. Aber Kara erinnert sich an ihre Aussage, dass ein Mann bei einer Hausbesichtigung in ihr Zimmer eingdrungen sei. Für sie steht fest, dass dieser Fremde Lindsay entführt haben muss - ein Stalker, der es auf ihre hübsche Tochter abgesehen hat.

Ihr Verdacht scheint sich zu bestätigen, als sich herausstellt, dass auch bei anderen Hausbesichtigungen Personen verschwunden sind. Kara fühlt sich mit ihrer Angst allein gelassen - bis sie durch eine Freundin auf Patrick Shields trifft, der vor ein paar Monaten seine Familie verlor und die Suche unterstützt ...

Bewertung:

Verschwundene Kinder bieten immer zuverlässigen Zündstoff für einen Thriller, ebenso wie unheimliche Psychopathen.

Solide Spannung

Der Leser weiß, was die Polizei zunächst nicht wahrhaben will: Lindsay Marshall ist nicht etwa ausgerissen, sondern wurde von einem psychopathischen Stalker entführt. Schon im Vorfeld baut sich die Spannung auf, wenn man verfolgt, wie der Unbekannte in kurzen Sequenzen selbst zu Wort kommt und sein zukünftiges Opfer ausspioniert.

Seine Besessenheit ist von Beginn an offenkundig, ebenso wie die Tatsache, dass er vor nichts zurückschrecken wird. Dazu geht er sehr perfide vor. Ganz genau weiß der Psychopath, wie er sich am besten während einer offiziellen Hausbesichtigung einschleicht, ohne dass jemand Verdacht schöpft. Die kurze Zeit im Haus nutzt er, um die Räumlichkeiten auszukundschaften und Lindsays Zimmer zu durchsuchen. Hinterher spürt das Mädchen genau, dass jemand in ihrer Wäsche gewühlt hat, und der unangenehme Geruch eines Fremden liegt in der Luft - doch beweisen kann sie ihre Ahnungen nicht. Ähnlich ergeht es ihrer Mutter gegenüber der Polizei, die an eine Ausreißergeschichte glaubt, und man muss abwarten, ob sich diese Meinung im Verlauf der Handlung ändert und Kara Marshall offizielle Hilfe bei der Suche erhält.

Nach der Entführung heißt es bangen, ob Lindsay das Martyrium überleben wird, und es darf gerätselt werden, was der Stalker überhaupt bezweckt - ist er ein Vergewaltiger, ein durchgeknallter Mörder, oder besitzt ganz andere düstere Gründe für seine Taten? Routiniert serviert John Saul außerdem noch ein paar zwielichtige Verdächtige unter den bekannten Figuren, hinter denen sich der Unbekannte verbergen könnte.

Unspektakuläre Charaktere

Sowohl Lindsay als auch ihre Mutter Kara sind sympathische Figuren, aber weit von einer differenzierten Darstellung entfernt. Lindsay ist eine recht typische Siebzehnjährige, in deren Lebensmittelpunkt die besten Freundinnen und das Cheerleadertraining stehen, die hin und wieder kleine Streits mit den Eltern erlebt und natürlich reichlich wenig Verständnis für den Umzug besitzt. Kara Marshall ist eine fürsorgliche Mutter, die hin- und gergerissen ist zwischen dem Wunsch, die Tochter zufriedenzustellen und dem Bedürfnis, mehr Zeit mit ihrem Ehemann zu verbringen und die angeschlagene Ehe zu retten.

Steve Marshall gibt den Prototyp des hart arbeitenden Familienvaters, der sich zum Kummer seiner Frau eher im Job vergräbt, als an der Suche nach der verschwundenen Tochter teilzunehmen. Alle sind glatt gezeichnet, ohne besondere individuelle Züge, die sich dem Leser einprägen, dabei aber nicht unsympathisch und genug Identifikationsfigur, um halbwegs zum Mitfiebern anzuregen.

Einige Schwächen

Dass John Saul mit diesem Werk nicht weit über Groschenromanniveau hinauskommt, liegt an einigen Mankos, die sich eingeschlichen haben. Zunächst vermisst man nicht nur bei Familie Marshall, sondern vor allem beim Psychopathen ein aussagekräftigeres Profil. Die inneren Monologe lesen sich bieder und heben sich in nichts von den zahlreichen anderen Gedanken solcher Täter ab, die Thrillerleser schon aus anderen Romanen kennen.

Zudem verraten seine Gedanken ein wenig zu viel, sodass man vorzeitig seine Identität aufgrund der Motivation erraten kann. Ganz deutlich vermisst man hier einen charismatischen Bösewicht, der sich zumindest ein wenig vom Rollenklischee lösen kann. Seine Motivation, die am Ende aufgelöst wird, entpuppt sich zwar als nicht uninteressant, wird aber kaum erläutert; sie bleibt also letztlich schwammig und viel der Phantasie des Lesers überlassen.

Auch inhaltlich gibt es Schwächen, vor allem wird durch einen Schicksalsschlag der Familie Marshall nach Lindsays Verschwinden noch unnötige zusätzliche Dramatik eingebaut und der Realismus der Geschichte überstrapaziert.

Fazit:

Ein höchstens durchschnittlicher Psychothriller, der zwar routiniert geschrieben und einigermaßen spannend ist, aber unterm Strich nicht überzeugen kann. Zu klischeehaft sind die Charaktere geraten, vor allem dem Mörder fehlt es an Profil. Als anspruchslose Lektüre in Ordnung, ansonsten aber nicht weiter von Belang.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.