15. Juni 2012

Küsschen, Küsschen - Roald Dahl

Produktinfos:

Ausgabe: 1966
Seiten: 183
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Der Autor:

Der norwegisch-walisische Autor von Roahl Dahl lebte von 1916 bis 1990. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte er sich zu einem populären Schriftsteller. Mit "Matilda", "Hexen hexen" und "Charlie und die Schokoladenfabrik" schrieb er einige der bekanntesten Kinderbücher des 20. Jahrhunderts, für Erwachsene vor allem makabere Kurzgeschichten, die auch bei "Alfred Hitchcock präsentiert" verfilmt wurden.


Inhalt:

Die Wirtin
Der junge Billy Weaver reist geschäftlich von London nach Bath. Auf dem Weg zum nächsten Hotel kommt er an einer Pension vorbei, wo ein Zimmer frei ist. Die mütterliche, nette Wirtin verlangt so wenig, dass er das Zimmer gerne nimmt. Alles ist nicht nur sehr behaglich, die Wirtin lädt ihn auch noch zu einem gemütlichen Plausch ein ...

William und Mary
Nachdem ihr Mann William dem Krebs erlegen ist, erhält seine Witwe Mary posthum einen Brief von ihm. Das lange Schreiben dreht sich um ein wissenschaftliches Experiment, das sein Kollege John Landy dem Oxford-Professor vorgeschlagen hat. Mary hatte vor Williams Tod nichts von dieser Idee hören, was Landy mit Williams Gehirn anstellen wollte - doch nun erfährt sie, dass William tatsächlich zugestimmt hat ...

Der Weg zum Himmel
Mrs. Foster fürchtet sich schon ihr ganzes Leben lang davor, zu spät zu kommen. Egal wohin sie gehen oder fahren muss, sie ist immer extrem nervös und will so früh wie möglich aufbrechen. Ihr Mann dagegen quält sie gerne, indem er den Aufbruch so lange wie möglich hinauszögert. Als Mrs. Forster allein zu ihrer Tochter nach Paris fliegen will, wird ihre Neurose auf eine extreme Probe gestellt, als sie droht, den Flug zu verpassen ...

Des Pfarrers Freude
Der Antiquitätenhändler Mr. Boggis hat einen genialen Plan für gute Geschäfte entwickelt: Er gibt sich regelmäßig als Pfarrer aus und klingelt auf ländlichen Höfen. Dort bezeichnet er sich als Präsident der "Gesellschaft zur Erhaltung seltenen Mobiliars" und kauft alte Möbel für einen Spottpreis ab, die er fachkundig als von den Besitzern unentdeckte Antiquitäten erkennt. Bei einem seiner Besuche stößt er auf er eine höchst wertvolle Kommode, die er unbedingt erwerben will ...

Mrs. Bixby und der Mantel des Obersten
Die Zahnarztgattin Mrs. Bixby gönnt sich als Ausgleich zu ihrer langweiligen Ehe eine Affäre mit einem Oberst. Nach dem letzten Treffen aber beendet der Oberst das Verhältnis per Brief. Als Wertschätzung erhält Mrs. Bixby aber einen kostbaren Nerzmantel, der sie schnell tröstet. Allerdings steht sie nun vor dem Problem, ihrem Ehemann diese Herkunft dieses Mantels zu erklären - und kommt auf eine ausgefallene Idee ...

Gelée Royale
Mabel Taylor sorgt sich um das niedrige Gewicht ihrer neugeborenen Tochter. Albert versucht seine Frau zu beruhigen, aber vergeblich - zu groß ist die Angst um das Kind, auf das sie neun Jahre gewartet haben. Als Bienenzüchter Albert eine Fachzeitschrift liest, kommt ihm eine Idee, wie er dem Baby helfen könnte ...

Georgy Porgy
Ein traumatisches Kindheitserlebnis sorgt dafür, dass George ein sehr schwieriges Verhältnis zu Frauen hat. Auch wenn er sie aus der Ferne durchaus bewundert, kann er ihre Berührungen nicht ertragen. Unglücklicherweise interessieren sich recht viele Frauen für den attraktiven Vikar. Ihre ständigen Annäherungen sorgen für immer größere Panik bei ihm ...

Genesis und Katastrophe
1889 im österreichischen Braunau: Nach der Geburt eines Jungen fürchtet die verhärmte Mutter, dass er wie ihre drei früheren Kinder zu schwach ist, um lange zu leben. Der Arzt versucht sie zu beruhigen, doch der barsche Vater hält das Kind ebenfalls für schwächlich. Dabei ahnt niemand, was das Kind für eine Zukunft vor sich hat ...

Edward der Eroberer
Louisa läuft zum Unwillen ihres Mannes eine Katze zu. Der Kater entpuppt sich nicht nur als liebenswertes Haustier, sondern auch als erstaunlicher Musikliebhaber: Während Louisa Klavier spielt, ist der Kater offenbar verzückt von der Musik. Am eindrucksvollsten ist aber seine Reaktion, als Louisa Liszt spielt. Louisa ist bald davon überzeugt, dass es sich bei dem Kater tatsächlich um eine Wiedergeburt des Komponisten Franz Liszt handelt ...

Schwein
Nachdem Lexington bereits als Säugling zum Waisen wird, wächst er auf dem Land bei seiner Großtante Glosspan auf. Tante Glosspan ist überzeugte Vegetarierin und der Junge wird ebenfalls Vegetarier. Schon früh zeigt Lexington ein außergewöhnliches Talent zum Kochen und Kreieren neuer Gerichte, natürlich alle vegetarisch. Als Tante Glosspan eines Tages stirbt, ist er siebzehn und kommt zum ersten Mal in die Stadt, um den Nachlassverwalter Mr. Zuckermann aufzusuchen. In New York isst er zum ersten Mal Fleisch ...

Der Weltmeister
Die Tankstellenbetreiber Gordon und Claud wollen in den Wäldern des reichen Mr. Hazel wildern. Sie entwickeln einen originellen Plan, um nachts möglichst viele Fasane betäuben und heimlich wegzubringen. Zunächst scheint der Plan aufzugehen ...

Bewertung:

Mit Die Wirtin macht auch gleiche eine der besten Geschichten des Bandes den Auftakt. Diese Geschichte zeichnet sich durch alle Stärken Roald Dahls aus: Schwarzer Humor, eine Mischung aus Grusel, Grauen und Witz, eine gelungene Pointe. Alles beginnt harmlos, die Wirtin ist vielleicht ein bisschen verschroben, aber dennoch sehr liebenswürdig und vor allem sehr darauf bedacht, ihrem Gast es so gemütlich wie möglich zu machen. Das Ende ist dann nicht ganz überraschend, im letzten Drittel ereilt den Leser dann doch die Ahnung, auf was es hinauslaufen wird, trotzdem macht die Geschichte Spaß bis zum letzten Satz. William und Mary nimmt sich eine originelle und faszinierende Idee als Ausgangspunkt: Der Philosophieprofessor William erklärt sich bereit, sein Gehirn nach dem Tod seinem medizinischen Kollegen Landy zur Verfügung zu stellen - der wiederum will das Gehirn zu Leben erwecken, sodass William losgelöst von seinem Körper ein Bewusstsein erhält und vielleicht noch jahrhundert leben kann, wenn auch nur in Form seines Gehirns. Auch ein Auge will Landy ihm erhalten, sodass William zumindest ein wenig mit der Welt kommunizieren kann. Für William ist der Gedanke reizvoll, nach nach seinem scheinbaren Tod noch ein Bewusstsein zu besitzen und ohne die irdischen Probleme wie Hunger, Stress oder Schmerzen philosaophieren zu können. Der Leser ist während der Lektüre von Williams Erklärungen an seine Frau gespannt, ob das Experiment funktiuoniert hat und ob es einen Haken gibt. Etwas zu schnell verläuft allerdings Williams Meinungsumschwung - zunächst findet er den Vorschlag widerwärtig, schon sehr bald danach entscheidet er sich um und die Beweggründe klingen ein bisschen halbherzig. Der Weg zum Himmel überzeugt vor allem durch seine böse und zugleich befriedigende Pointe. Doch schon zu Beginn überzeugt die Geschichte, denn man fühlt mit der übernervösen Mrs. Foster. Sicher sieht man ihre hysterische Angst vor dem Zuspätkommen aus einer gewissen Distanz heraus, aber spätestens als man liest, wie ihr Mann es genießt, sie zu triezen und ihre Panik noch zu verstärken, verbündet sich der Leser mit ihr. Selten war es so spannend wie in dieser Geschichte zu erfahren, ob jemand einen Flug erreicht oder nicht.

Des Pfarrers Freude ist fraglos einer der Höhepunkte des Bandes. Den ganzen Verlauf über ahnt der Leser, dass es zu einem Clou kommen muss, doch worin dieser besteht, enthüllt die Geschichte erst in den letzten Sätzen. Während der zähen Verhandlungen des Schwindlers mit den Bauersleuten, die er zum Verkauf überreden muss und die gleichzeitig nicht erfahren dürfen, wie kostbar ihr Möbel tatsächlich ist, baut sich eine intensive Spannung auf. Im Gegensatz zu vielen anderen Geschichten dieses Bandes gibt es hier keine Toten, doch das schmälert den Spaß nicht im Geringsten. Ein wunderbares Ende, dass man nicht so leicht vergisst. Mrs. Bixby und der Mantel des Obersten hat gleichfalls eine nette Pointe und ist rundum amüsant zu lesen. Die Pointe lässt sich kaum erahnen und ist rundum gelungen. Eine vergleichweise harmlose Geschichte ohne makaberen Touch, aber mit einer unterhaltsamen Bösartigkeit. Gelée Royale ist in der ersten Hälfte spannend und recht lustig, in der zweiten dann zunehmend beklemmend bis hin zum sehr nachhaltigen Ende. Der Schluss lässt durchaus Raum für Spekulationen und ist doch aussagekräftig genug, um die Geschichte sehr unheilvoll enden zu lassen. Georgy Porgy gehört zu den etwas schwächeren Beiträgen des Bandes. Die Geschichte ist zwar recht lustig, vor allem dank der Schilderungen, wie der verzweifelte Vikar vergeblich versucht, den Annäherungsversuchen der Damenwelt zu entfliehen. Auch das Ende hat etwas für sich und ist zweifellos überraschend. Dennoch geht der Erzählung der Charme anderer Geschichten ab, der Unterhaltungswert ist nicht so hoch und das Ende hat nicht diesen Knalleffekt und vor allem nicht diese Morbidität, die die anderen Geschichten auszeichnen.

Genesis und Katastrophe ist eine faszinierende Erzählung, obwohl oder gerade weil fast nichts geschieht. Im Grunde bekommt der Leser nur eine ängstliche Mutter mit ihrem neugeborenen Sohn präsentiert. Der besondere Effekt der Geschichte liegt zum einen sicherlich in der Identität des kleinen JUngen, um dessen Leben hier so gebangt wird - erfreulicherweise erfährt der Leser nicht erst in den letzten Sätzen, wer es ist, sondern wie nebenbei mitten in der Handlung, was gerade wegen dieser dezenten Erwähnung wirkungsvoll ist. Zum anderen berührt die Sorge der Mutter, die von ihrem Mann recht grob behandelt wird und schon direkt nach der Geburt nur daran denken kann, dass vielleicht auch dieses Kind allzu früh sterben wird. Der Leser identifiziert sich mit dem peinlich berührten Arzt, der ihr zwar gut zuspricht, aber schon bald merkt, dass er gegen eien Wand spricht. Eine einprägsame Geschichte, die ohne große Effekte auskommt. Edward der Eroberer ist ein weiterer Höhepunkt dieser Sammlung. Eine musikalische Katze ist allein schon etwas Besonderes, eine Wiedergeburt des Komponisten Franz Liszt im Katzenkörper übertrifft das noch mal. Es ist herrlich zu lesen, wie die etwas unbedarfte aber liebenswerte Louisa immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen dem Kater und Franz Liszt entdeckt und sich bereits ausmalt, wie die Musikwelt dem grauen Tier ihre Aufwartung machen wird. Ihr Mann, der an klassischer Musik kein Interesse hält, beobachtet fassungslos die Gedankengänge seiner Frau. Das Ende ist vielleicht nicht das, was sich der Leser mit dem Herzen gewünscht hätte, aber es passt zweifelsohne. Schwein ist ein etwas gewöhnungsbedürftiger Beitrag, der vor allem gegen Ende hin eine ziemlich kafkaeske Austrahlung hat. Die karikaturenhaften Charaktere von Tante Glosspam und Lexington sind originell und es ist lange Zeit ungewiss, wohin die Handlung führen wird. Das Ende ist dann aber doch etwas zu überzeichnet und grotesk, obwohl es nicht schlecht ist. Der Weltmeister bildet den soliden Abschluss. Die Geschichte ist recht ausgefallen und es ist durchaus spannend, den eigenwilligen Plan zum Einfangen der Fasane zu verfolgen. Was der Geschichte aber fehlt, ist die makabere Note, die Roald Dahls Geschichten gewöhnlich auszeichnet. Das Ende ist zwar amüsant, aber zu zahm.

Fazit:

Eine hochklassige Sammlung mit elf Geschichten, die sich vor allem durch schwarzen Humor, makabere Themen und überraschende Pointen auszeichnen. Nicht alle Geschichten sind erstklassig, aber insgesamt ist der Band sehr empfehlenswert.

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