15. Juni 2012

Die Gespenster-Rikscha - Rudyard Kipling

Produktinfos:

Erscheinungsjahr: 2008
Laufzeit: 55 Minuten
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Der Autor:

Joseph Rudyard Kipling wurde 1865 in Bombay geboren und starb 1936 in London. Er wuchs zunächst in Indien und Pakistan auf, ehe er in England zur Schule ging und anschließend in Pakistan als Redakteur arbeitete. Er veröffentlichte eine Reihe von Kurzgeschichten, ehe die beiden Dschungelbücher folgten, die ihn schließlich weltberühmt machten. 1907 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Weitere Werke sind u. a. "Indische Erzählungen", "Kim" und "Stalky und Co".

Inhalt:

1882: Der junge Londoner Theobald Jack Pansay reist mit dem Schiff nach Indien. Zu Beginn der Reise lernt er die hübsche Agnes Keith-Wessington kennen und verliebt sich sehr rasch in sie. Mrs. Keith-Wessington ist zu seinem Bedauern mit einem Offizier verheiratet, den sie in Bombay wiedertreffen wird, doch sie lässt sich auf eine Affäre ein. Die beiden verbringen glückliche Wochen an Bord, bis der Abschied droht.

In Bombay angekommen, fällt Agnes die Trennung deutlich schwerer als Jack, denn sie hat sich ernsthaft verliebt. Jack vertröstet sie auf ein Wiedersehen in drei bis vier Monaten, wenn er Simla besuchen will. Beim Wiedersehen setzen sie die Affäre fort, doch Jack merkt allmählich, dass sein Interesse an Agnes schwindet. Schließlich erklärt er ihr, dass er sie nicht wiedersehen möchte, und lässt sich auch von ihren Liebesbeteuerungen nicht erweichen. Ab und zu treffen sie sich zwar auf Gesellschaften, aber Jack geht ihr nach Möglichkeit aus dem Weg.

Einige Monate später verliebt sich Jack in Kitty Mannering, eine junge Dame aus reichem Haus, die er beim Reiten kennenlernt. Während sich die beiden annähern, begegnet ihm immer wieder Agnes in ihrer Rikscha und bedrängt ihn vergeblich, Kitty nicht zu heiraten. Als Jack kurz darauf von ihrem Tod erfährt, ist er nur erleichtert. Doch an dem Tag, an dem er Kittys Verlobungsring kauft, sieht er die Rikscha erneut - und sie fährt mitten durch Kittys Pferd hindurch. Obwohl Agnes ebenso wie ihre beiden Rikschafahrer verstorben ist und die Rikscha zu Kleinholz verarbeitet wurde, taucht sie immer wieder auf. Niemand außer Jack scheint sie sehen zu können, und allmählich zweifelt Kitty an seinem Verstand ...

Bewertung:

Obwohl Rudyard Kipling vor allem für sein "Dschungelbuch" bekannt ist, hat er auch eine Reihe unheimlicher Erzählungen verfasst, und als Anhänger des Britischen Kolonialismus, der in Bombay geboren wurde, ist es kein Wunder, dass einige davon in Indien spielen.

Spannung und Atmosphäre

Alles beginnt wie eine romantische Liebesgeschichte: Jack und Agnes erleben auf der Schiffsreise eine wunderschöne Zeit miteinander, in der Leidenschaft eine große, aber offenbar nicht alleinige Rolle spielt. Wäre Agnes nicht verheiratet, könnte aus den beiden ein glückliches Paar werden, so meint man, doch dann zeigt sich, dass beide nicht das Gleiche empfinden. Während Agnes Jack von Tag zu Tag mehr zu lieben scheint und sich gar nicht mehr vorstellen kann, ohne ihn zu leben, fühlt sich Jack von ihr bedrängt. Schon das Wiedersehen in Simla steht unter keinem guten Vorzeichen, denn man ahnt, dass Jack dieses Treffen nicht ganz so viel bedeutet wie seiner Geliebten.

Die Gegensätze der beiden treten sehr schön beim Besuch des Tempels der Schutzgöttin Shyamala, einer Verkörperung der Todesgöttin Kali, zutage - Agnes ist sichtlich ergriffen von der tragischen Geschichte Kalis und dem mythologischen Ort, während Jack der ganzen Angelegenheit etwas nüchterner gegenübersteht. Die Handlung ist spannend gestaltet, denn zunächst ist nicht absehbar, was der Geist von Agnes Keith-Wessington in der Rikscha beabsichtigt. Genau wie die von ihr bewunderte Göttin Kali, die sowohl für Tod als auch für Erneuerung steht, ist Agnes eine zwiespältige Figur. Sie verfolgt Jack und bedrängt ihn, sie rettet ihm aber auch einmal das Leben. Die Folgen für die Geschichte sind nicht vorhersehbar, und man verfolgt gebannt, ob Jack den Verstand verlieren wird und was mit seiner Verlobung mit Kitty wird, denn die junge Dame zeigt nicht viel Verständnis für seine merkwürdigen Anwandlungen.

Gute Sprecher

Wie üblich bei Titania Medien wurde großen Wert auf passende Sprecher für ihre Rollen gelegt. Uschi Hugo ist die Schwester von Dorette Hugo, welche seinerzeit "Arielle die Meerjungfrau" synchronisierte, und ein wenig hört man die Ähnlichkeit in den Stimmen heraus. Matti Klemm überzeugt als Jack Pansay mit ausdrucksstarker, dunkler Stimme, die sowohl zu dem jungen Mann in der Binnenhandlung passt als auch zu dem etwas älteren Jack, der als Erzähler fungiert. Seine Stimme kennt man etwa als deutschen Sprecher von Robert Grant (Queer of Folk, Closer, Nip/Tuck). Arianne Borbach, die schon Diane Lane, Uma Thurman und Catherine Zeta-Jones synchronisierte, passt mit ihrer weichen, fast geflüsterten Stimme perfekt auf die sehnsüchtige Agnes. Kleine aber feine Nebenrollen haben Bodo Wolf alias "Monk" als Doktor Heatherlegh, der Jack zu helfen versucht, und Wilfried Herbst mit seiner markanten hohen Stimme als Juwelier.

Kleine Schwächen

Der Grusel ist bei dieser Geschichte nicht stark ausgeprägt. Im Vordergrund steht die traurige Liebesgeschichte, und Mrs. Keith-Wessington mit ihrer Rikscha ist alles andere als ein unheimlicher Geist. Etwas zu plötzlich kommt zudem Jacks Wandlung bezüglich seiner Gefühle für Agnes. Seine Abneigung gegen ihr besitzergreifendes Verhalten wandelt sich sehr rasch in eine komplette Abneigung. Gerade noch haben sie ihre gemeinsame Zeit genossen, da spricht er auch schon davon, dass sie ihn geradezu abstößt und er sie nie wiedersehen will. Besser wäre gewesen, hier noch ein paar Szenen einzufügen, die es plausibler machen, dass sich Jack von Agnes bedrängt fühlt. Ein bisschen störend ist auch die zynische Reaktion, mit der Jack später die Geistererscheinung anspricht, ohne jede Furcht und Respekt, was der Situation schon fast komische Züge verleiht.

Fazit:


Ein unterhaltsames Hörspiel mit erstklassigen Sprechern, das den Hörer ins Indien zur Zeit des Kolonialismus führt. Der Gruselfaktor ist allerdings sehr niedrig, und es gibt ein paar kleine Schwächen, die aber nicht stark ins Gewicht fallen.

Sprechernamen:

Theobald Jack Pansay: Matti Klemm
Agnes Keith-Wessington: Arianne Borbach
Kitty Mannering: Uschi Hugo
Dr. Heatherlegh: Bodo Wolf
Juwelier Hamilton: Wilfried Herbst
Rikscha-Verleiher: Tommy Morgenstern
Wirt: Jochen Schröder
Damen der Gesellschaft: Gisela Fritsch und Eva-Maria Werth

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