27. Juni 2012

Die Bärenkralle - Torkil Damhaug

Produktfakten:

Ausgabe: 2009
Seiten: 425
Amazon
* * * * *

Der Autor:

Torkil Damhaug, Jahrgang 1958, studierte zunächst Medizin und Psychologie und arbeitete als Psychiater, ehe er sich hauptberuflich dem Schreiben widmete. "Die Bärenkralle" ist sein drittes Werk, allerdings das erste, das in Deutschland erschien. Damit gelang ihm der internationale Durchbruch. 2008 erschien "Die Netzhaut" mit dem gleichen Ermittlerteam.

Inhalt:


Axel Glenne ist ein erfolgreicher Arzt, attraktiv und beliebt, glücklich verheiratet mit seiner schönen Frau Bie und mit drei Kindern. Sein Glück trübt eigentlich nur die steigende Demenz seiner Mutter sowie die quälenden Erinnerungen an seinen Zwillingsbruder Brede, den er seit zwanzig Jahren nicht gesehen hat.

Unterdessen wird in den Osloer Wäldern die Leiche einer Frau gefunden. Sie hat Einstichstellen, die auf eine tödliche Spritze hinweisen - vor allem aber hat sie deutliche Wunden einer Bärentatze. In den Osloer Wäldern leben allerdings seit Jahrzehnten keine Bären mehr. Kurz darauf sterben zwei weitere Frauen, beide wieder mit typischen Bärenwunden bedeckt. Die Medien schlagen Alarm, Fragen nach einem freilaufenden Bären werden laut.

Als Alex davon erfährt, registriert er entsetzt, dass er zu allen drei Frauen eine Verbindung hatte. Auch die Polizei unter Kommissar Viken kommt diesem Zusammenhang bald auf die Spur. Für die Ermittler ist der Arzt höchst verdächtig. Alex dagegen glaubt, dass jemand ein grausames Spielt mit ihm treibt ...

Bewertung:

Für diesen Thriller erhielt Torkil Damhaug Lobeshymnen aus seiner norwegischen Heimat, kann die daraus entstehende Erwartungshaltung aber nicht unbedingt erfüllen. Originell ist auf jeden Fall die Einbindung eines Bären, wiewohl lange Zeit nicht klar ist, ob hier tatsächlich ein lebender Bär auf die Opfer losgelassen wurde oder der perfide Täter bloß mit einer abgeschnittenen Tatze die Verletzungen inszeniert.

Der Leser erlebt parallel die Ermittlungen zum ersten Todesfall und das Alltagsleben des Arztes Axel Glenne, das vor allem am Anfang ein bisschen zu ausführlich geschildert wird. Dr. Glenne ist ein fähiger und erfolgreicher Arzt, der mit seiner hübschen Frau und den Kindern glücklich sein könnte. Allerdings kann er sich nicht den Reizen seiner jungen Praktikantin Miriam entziehen, die schon lange von einem Verhältnis mit ihm träumt und sich Hoffnungen macht. Anfangs noch neutral, fühlt er sich mehr und mehr zu der jungen attraktiven Frau hingezogen, die ihm zudem auch eine verständnisvolle Zuhörerin ist. Dieses Doppelleben macht Glenne später für die Polizei natürlich nicht weniger verdächtig, zeigt es doch, dass er dazu in der Lage ist, überzeugend zu lügen. Die kurzen Gedankenrückblicke Glennes in seine Vergangenheit, die um seinen verschollenen Zwillingsbruder kreisen, sorgen für eine Portion Spannung. Es erscheint denkbar, dass sich der zurückgesetzt fühlende Brede jetzt an seinem erfolgreichen Bruder rächt und den Verdacht auf ihn lenkt. Trotzdem bleiben die Hintergründe zu den Taten lange Zeit unklar und der Leser darf rätseln, ohne sich seiner Vermutungen sicher zu sein. Nicht schlecht ist außerdem das Finale, das sehr konsequent ist und auf die Weichspülermentalität mancher Thriller verzichtet - der Schluss sorgt vor allem für ein paar Schockmomente und verzichtet dafür auf ein konstruiertes Friede-Freude-Eierkuchen-Happy-End.

Trotzdem ist "Die Bärenkralle" alles andere als ein Meisterwerk, das man aufgrund mancher Kritiken vermuten könnte. Das liegt zum einen daran, dass einem die Bezugsperson fehlt, in die man sich richtig hineinversetzen kann. Sowohl der Protagonist Axel Glenne als auch das Ermittlerduo bleiben insgesamt zu blass. Bei Alex Glenne wird nie wirklich nachvollziehbar, warum er sich auf diese Affäre einlässt. Im Gegenteil, es wird recht deutlich sein experimentierfreudiges Sexleben mit seiner Ehefrau Bie geschildert; die Praktikantin Miriam scheint ihr in keiner Hinsicht, weder charakterlich noch äußerlich, überlegen zu sein. Es scheint, als wisse Axel selbst nicht, warum er seine Frau betrügt, kann aber gleichzeitig nicht damit aufhören. Das macht ihn weder interessant noch besonders sympathisch, sondern wirkt eher verwirrend. Das Ermittlerduo hat gewiss Potential, denn die Kombination aus dem brummigen und eigensinnigen Kommissar Viken und der jungen, hartnäckigen Ermittlerin Nina Jebsen ist recht reizvoll - trotzdem kommt beim Leser nicht automatisch der Wunsch auf, weitere Fälle von den beiden zu lesen.

Fazit:

Ein norwegischer Krimi mit einer originellen Ausgangslage, der dann aber die recht hohen Erwartungen im Laufe der Handlung nicht ganz bestätigen kann. Das liegt vor allem an den recht blassen Charakteren, allen voran dem nicht sonderlich sympathischen Protagonisten. Trotzdem kein schlechter Krimi.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.