27. Juni 2012

Das Gespenst von Canterville - Oscar Wilde

Produktinfos:

Ausgabe: 2011
Länge: 65
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Der Autor:

Oscar Wilde, 1854 bis 1900, kam schon früh zum Schreiben. Er studierte klassische Literatur in Dublin und später in Oxford. Nach intensiven Auseinandersetzungen mit den Idealen der Ästhetik kam er selbst mit ersten Gedichten zu Bekanntheit. Mit seinen Werken wie "Lady Windermeers Fächer", "Ernst sein ist alles" und "Das Bildnis des Dorian Gray" sowie wegen seines extravaganten Auftretens wurde er zu einem der bekanntesten viktorianischen Schriftsteller. Wegen seiner Homosexualität wurde er schließlich zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt und starb wenig später danach.

Inhalt:

Ende des 19. Jahrhunderts: Der amerikanische Gesandte Hiram B. Otis zieht als neuer Botschafter mit seiner Familie nach England. Die Familie möchte unbedingt ein ehrwürdiges Schloss kaufen, und ihre Wahl fällt auf das Anwesen Canterville. Der Besitzer Lord Canterville versucht ihnen den Kauf auszureden, da es dort spuken soll. Seit über 300 Jahren gehe dort der Geist seines Vorfahren Simon de Canterville um. Mr. und Mrs. Otis lassen sich aber nicht von den Schilderungen abhalten, sondern sind jetzt erst recht neugierig geworden.

Schon wenige Wochen später zieht die Familie mitsamt Tochter Virginia, Sohn Washington und den Zwillingen Jimmy und Timmy dort ein. Alle sind begeistert von dem idyllischen Anwesen. Auf Canterville wird die Familie von der ältlichen Hausdame Mrs. Umney empfangen. Zum Personal gehört auch noch der Butler Charles. Beim Umherführen entdecken die Otis einen seltsamen Fleck auf dem Boden. Mrs. Umney erklärt, dass es das Blut von Lady Eleanor de Canterville sei, die vor 300 Jahren hier von ihrem Ehemann ermordet wurde. Jahre später verschwand Simon de Canterville spurlos und erscheint seitdem als Gespenst. Der Fleck könne durch nichts entfernt werden.

Mr. Otis versucht es dennoch mit einem Fleckenmittel, woraufhin ein lautes Heulen ertönt. Mrs. Umney fürchtet, dass jetzt der Zorn des Gespenstes erweckt wird, und warnt die Familie davor, es weiter zu verärgern. Am nächsten Tag ist der Fleck tatsächlich wieder da - und in der folgenden Nacht taucht schließlich das Gespenst auf. Aber Familie Otis lässt sich nicht so leicht erschrecken ...

Bewertung:

Ein jahrhundertealtes Schloss in England, ein grausiger Mord, ein rachsüchtiges Gespenst - soweit entsprechen alle Zutaten der klassischen Schauergeschichte. Weniger traditionell ist Familie Otis, die Oscar Wildes Erzählung von 1887 den besonderen Flair verleiht und das Hörspiel eher zu einer Komödie denn zu einem Gruselstück macht.

Familie Otis entspricht bewusst den amerikanischen Klischees: Die Eltern sind überzeugte Demokraten und haben in einem Anflug von übertriebenem Patriotismus einen Sohn Washington getauft, sie lieben alles Alte und Englische, glauben nicht an Gespenster, und als sie dann doch einem begegnen, kann es sie gewiss nicht schrecken. Die Zwillinge vertreiben den Geist fröhlich mit einer Kissenschlacht, Mr. Otis beschwert sich höflich über den Lärm zur Schlafenszeit und bietet ihm Schmieröl gegen die knirschenden Knochen an - und das Gespenst ist reichlich verdutzt darüber.

In den vergangenen Jahrhunderten hat er zahlreichen Besuchern des Schlosses in Panik und Wahnsinn versetzt, aber bei den Otis beißt er auf Granit. Der Blutfleck wechselt in den folgenden Wochen immer wieder seine Farbe, woraufhin die Familie kurzerhand Wetten darüber abschließt, in welcher Nuance er als nächstes erscheint. Zu den witzigsten Szenen gehört Sir Simons immer noch überzeugte Begründung, er habe seine Frau damals wegen ihrer schlechten Kochkünste umgebracht - und als Virginia daraufhin sehr entgeistert fragt, ob das etwa der Grund war, schiebt er ein "Nicht nur - sie war auch sehr hässlich" hinterher. Gegen Ende erhält die Geschichte auch romantische Züge: Die herzensgute Virginia ist die Erste, die sich mal länger mit Sir Simon unterhält und wirkliches Mitgefühl zeigt. Was sie schließlich für den Geist tut, soll nicht verraten werden, aber es ist eine schöne Lehre, die hier vermittelt wird und die das Hörspiel sogar kindgerecht macht, während die grundsätzliche Empfehlung der Reihe bei 14 Jahren und älter liegt.

Eine gewisse Spannung ist in der Handlung auch gegeben, denn es ist klar, dass diese misslungenen Angriffe des Gespenstes nicht ewig so weitergehen werden. Wer die Vorlage nicht kennt, wird sicher neugierig sein und das Ende nicht zu schnell erahnen. Die Sprecher sind, wie von Titania Medien nicht anders gewohnt, sehr gut besetzt. Hasso Zorn ist nicht zum ersten Mal im Gruselkabinett als Erzähler dabei, auch den Großonkel in "Das Schloss des weißen Lindwurms" sprach er sympathisch mit seiner sanften, bedächtigen Stimme. Friedrich Georg Beckhaus, bekannt aus "Raumschiff Orion", passt mit seiner leicht kratzigen Stimme gut zum Gespenst Sir Simon de Canterville, ebenso wie Annina Braunmiller mit ihrer sehr jungen, mädchenhaften Stimme zur liebenswerten Virginia. Einen eher kurzen, aber dennoch markanten Auftritt hat Dagmar von Kurmin als ernste Hausdame, und Schauspielerin Gudrun Landgrebe erlebt man hier als unbeschwerte Mrs. Otis.

Wer Oscar Wildes humorvoller Vorlage noch in keiner Adaption begegnet ist, der wird sicher irritiert sein über den für die Reihe sehr geringen Gruselgehalt. Schauerlich wird es nur mal ganz am Ende, als Virginia tapfer mit Sir Simon eine Stiege hinaufsteigt und drei hämische Geisterstimmen ihr immer wieder zurufen, dass sie sich damit ins Verderben begebe. Ansonsten ist der Tenor überwiegend heiter, und wer sich eine richtige Schauergeschichte erhofft hat, der wird vielleicht enttäuscht werden. Zudem nerven die Sprecher der beiden Zwillingsjungs teilweise ein wenig, da sie zu oft gleichzeitig sprechen und einen etwas leiernden Tonfall haben.

Fazit:

Eine gelungene Umsetzung der komödiantischen Erzählung, die vor allem durch viele witzige Szenen und fast ausnahmslos gute Sprecher überzeugt. Die Handlung ist kurzweilig und sogar für Kinder geeignet. Allerdings ist die Geschichte abgesehen von einer kleinen Szene gar nicht gruselig und fällt somit etwas aus der Reihe heraus.

Sprechernamen:

Sir Simon de Canterville: Friedrich Georg Beckhaus
Hiram B. Otis: Boris Tessmann
Lucretia R. Otis: Gudrun Landgrebe
Washington Otis: Jan Panczak
Virginia E. Otis: Annina Braunmiller
Timmy Otis: Mathis Färber
Jimmy Otis: Alxeander Mager
Mrs. Umney: Dagmar von Kurmin
Erzähler: Hasso Zorn

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