3. Juni 2012

Das Echo der Schuld - Charlotte Link

Produktinfos:

Auflage: 2006
Verlag: Blanvalet
Seiten: 541
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Die Autorin:

Charlotte Link, Jahrgang 1963, gehört zu den erfolgreichsten deutschen Autorinnen der Gegenwart. Fast alle ihre Bücher wurden zu Bestsellern. Ihre Spezialgebiete sind historische Romane sowie Psychothriller. Zu ihren bekanntesten Werken zählen: "Das Haus der Schwestern", "Verbotene Wege", "Die Sünde der Engel" und die Sturmzeit-Trilogie ("Sturmzeit", "Wilde Lupinen", "Die Stunde der Erben"). Mehrere ihrer Bücher wurden fürs Fernsehen verfilmt.

Inhalt:

Das junge Aussteiger-Ehepaar aus Deutschland Livia und Nathan Moor hat zuhause alles verkauft und in ein Segelboot investiert. Doch der Traum von der Weltumsegelung platzt bald. Vor der schottischen Küste kollidieren sie mit einem Frachter. Mit letzter Kraft können Livia und Nathan ihr Leben retten. Das Segelboot sinkt, und ihnen bleibt nichts als die Kleider, die sie tragen. Während Nathan das Schicksal mit Fassung trägt, bricht Livia völlig zusammen.

Der Unfall spricht sich im Dorf rasch herum. Auch die junge Engländerin Virginia Quentin, die mit ihrem Mann Frederic und ihrer kleinen Tochter Kim im Ferienhaus wohnt, hört davon. Kurz vor dem Unglück hatte Livia für sie im Garten gearbeitet und sich etwas Geld verdient. Virginia, die die junge Frau sympathisch fand, fühlt sich zur Hilfe verpflichtet. Gegen den Willen ihres Mannes gestattet sie den Moors, bis auf Weiteres in ihrem Ferienhaus zu leben. Dankbar nimmt das Ehepaar an, während die Quentins am nächsten Tag nach Hause nach Norfolk fahren.

Frederic, der politische Ambitionen verfolgt, reist beruflich nach London, und Virginia bleibt mit Kim in Norfolk zurück. Überraschend steht auf einmal Nathan in der Tür. Seine Frau muss im Krankenhaus betreut werden und ist nicht transportfähig für die Rückreise nach Deutschland, er selbst hat kein Geld, um sich im Ferienhaus zu versorgen. Widerwillig erlaubt Virginia dem mysteriösen Nathan, bei ihr zuhause unterzukommen. Einerseits fühlt sie sich von ihm bedrängt, andererseits kann sie sich seines Charismas nicht erwehren. Zur gleichen Zeit verschwinden zwei Mädchen in der Gegend und werden bald darauf ermordet aufgefunden. Virginia sorgt sich um ihre Tochter Kim. Hat etwa Nathan etwas mit den Vorfällen zu tun ...?

Bewertung:

Charlotte-Link-Fans dürfen sich freuen: "Das Echo der Schuld" gehört mit zu ihren besten Werken.

Spannung in allen Handlungssträngen

Gleich auf mehreren Ebenen wird eine Spannung entwickelt, die sich bis zum Ende des Buches zieht. Wie es für die Autorin typisch ist, verteilt sich die Handlung auf mehrere Stränge, die alle miteinander in Verbindung stehen. Die Haupthandlung konzentriert sich auf die beiden Ehepaare, das deutsche Paar Livia und Nathan Moor und ihre englischen Gastgeber Virginia und Frederic Quentin. Das Schiffsunglück bedeutet eine Zerreißprobe für die Moors, Livia erleidet einen körperlichen und seelischen Zusammenbruch, während ihr Ehemann die Dinge offenbar deutlich gelassener nimmt. Schon früh fragt man sich, was diese beiden grundverschiedenen Menschen eigentlich zu einer Ehe geführt hat und ob ihre Beziehung diese Katastrophe überstehen wird.

Ähnliches gilt für die beiden Engländer. Nicht genug damit, dass die Aufnahme der Moors für sie eine Belastung darstellt, auch zuvor deuten sich Spannungen an. Der bekannte Bankier Frederic sucht sein Heil in der Politik und drängt Virginia zu öffentlichen Auftritten an seiner Seite. Diese jedoch zieht sich lieber zurück und kümmert sich um Tochter Kim, statt seine politischen Ambitionen zu unterstützen. Noch prekärer wird die Lage, als Frederic nach London reist und Nathan Moor sich bei Virginia einnistet. Trotz seiner leicht unheimlichen Aura fühlt sie sich zu diesem Fremden mehr und mehr hingezogen. Einerseits verunsichert durch seine aufdringliche und selbstbewusste Art, vertraut sie ihm in einer stillen Stunde Dinge aus ihrer Vergangenheit an, die selbst ihr Mann bislang nicht erfahren hat. Auch hier darf man gespannt sein, worauf diese Annäherung hinausläuft und inwieweit auch die Ehe von Frederic und Virginia zu zerbrechen droht.

Ein Nebenstrang führt in Virginias Vergangenheit. Sie erzählt Nathan von ihrem ehemaligen Lebensgefährten Michael, ihr bester Freund und Cousin aus Kindertagen, für den sie nie mehr als platonische Liebe empfinden konnte und mit dem sie ein schreckliches Geheimnis verbindet, das Virginia noch heute belastet. Neben diesen Rückblicken gleitet die Handlung letztlich auch zu den beiden Mädchen über, die zunächst spurlos verschwinden und später ermordet aufgefunden werden. Man gewinnt schmerzhaft realistische Einblicke in das Leid der zurückgelassenen Eltern. Als ein drittes Mädchen Gefahr läuft, in die gleiche Falle zu laufen, bleibt dem Leser nur ein banges Hoffen, dass wenigstens sie - wie auch die später verschwundene Kim - von diesem grausamen Schicksal verschont bleibt. Der Leser grübelt nicht nur über die Identität des Kindermörders nach, sondern auch über die zwischenmenschlichen Entwicklungen innerhalb der Beziehungen.

Zwiespältige Charaktere

Im Mittelpunkt steht Virginia, die sich im Verlauf der Handlung als vielschichtiger entpuppt als erwartet. Ihre bewegte Vergangenheit und das schreckliche Geheimnis, das sie mit Michael teilt, und das "Echo der Schuld", das sie seither mit sich herumträgt, sind der Grund für ihre in sich gekehrte Art und den Mangel an Ausgelassenheit. Ihre Hilfsbereitschaft gegenüber den Moors ist gut nachvollziehbar, während man ebenso die Abneigung von Frederic verstehen kann, der zu Recht befürchtet, dass sie sich auf eine große Belastung einlassen.

Der wohl interessanteste Charakter ist Nathan Moor. Seine Frau Livia, ein verstörtes, scheues Wesen, ist ein reiner Sympathieträger, während man für Nathan zunächst Abscheu empfindet. Sein gutes Aussehen und gewinnendes Auftreten können nicht über seine Unverschämtheit hinwegtäuschen. Empört verfolgt man, wie er Stellung in Virginias Haus bezieht und immer weiter in ihr Leben eindringt. Allerdings offenbart er auch eine sensible Seite und bringt Virginia dazu, ihr tiefstes Geheimnis zu offenbaren. Nach und nach begreift man, was für einen wichtigen Ausgleich der unbekümmerte Nathan im Gegensatz zum karriereorientierten Frederic für Virginia darstellt, sodass die anfangs rein negative Empfindung revidiert wird.

Keine nennenswerten Schwächen

Insgesamt ist "Das Echo der Schuld" so grundsolide, dass man kaum etwas bemängeln kann. Etwas fragwürdig ist die Begründung, weshalb Virginia Nathan Moor tatsächlich bei sich zuhause einziehen lässt. Zwar ist ihr Ehemann Frederic für einige Tage verreist, doch es steht außer Frage, dass er über Tochter Kim früher oder später von dem unliebsamen Gast erfahren wird. Trotz allen rhetorischen Geschicks ist nicht ganz nachvollziehbar, warum Virginia Nathan so viele Freiheiten zugesteht und sich nicht überwindet, ihn an die deutsche Botschaft zu verweisen, zumal sich die Sympathie und Vertrautheit für ihn erst später ergibt.

Obwohl in leichtem Stil geschrieben, kann die Vielzahl der Handlungsstränge den Leser leicht überfordern. Mal geht es um Virginia und Frederic, dann um Nathan und Livia, dann um die ermordete Sarah und ihre Leidensgenossin Rachel, dann um die kleine Rachel, die Bekanntschaft mit dem Mörder schließt, und letztlich um Virginias Vergangenheit. Ein kleiner Kritikpunkt ist außerdem das Ende, das einen der Handlungsstränge offenlässt. Obwohl es kein zentraler Aspekt ist, wirkt dies beinah wie eine Aufforderung zu einer Fortsetzung.

Fazit:

Unterm Strich liegt hier ein sehr unterhaltsamer und hochspannender Thriller vor, der nicht nur Fans von Charlotte Link ans Herz zu legen ist. Auf mehreren Ebenen entfaltet sich eine fesselnde Handlung, die sich um Ehedramen, Kindsmord und eine geheime Vergangenheit dreht. Die kleinen Kritikpunkte fallen dabei kaum ins Gewicht, sodass am Ende nur eine klare Empfehlung bleibt.

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